Germanwings-Copilot hat den Absturz geübt

Paris · Der Copilot, der im März die Germanwings-Maschine in den französischen Alpen zum Absturz gebracht hat, hatte bereits auf dem Hinflug für seine Tat geprobt. Mehrmals leitete der Mann auf dem Weg von Düsseldorf nach Barcelona vorübergehend einen drastischen Sinkflug ein. Das ergibt ein Zwischenbericht der französischen Ermittler.

Paris. Als der Germanwings-Flug aus Düsseldorf am 24. März morgens in Barcelona landete, hatten die Insassen - ohne es zu wissen - eine lebensgefährliche Übung hinter sich. Denn der Copilot brachte den Airbus A320 auf der Strecke mehrmals bewusst in den Sinkflug und probte damit den tödlichen Absturz rund zwei Stunden später.Passagiere ahnungslos


Das geht aus dem Zwischenbericht der französischen Experten hervor, den die Flugunfalluntersuchungsbehörde BEA am Mittwoch veröffentlichte. "Er hat den Handgriff mehrmals wiederholt", sagte BEA-Leiter Rémy Jouty. Von den Passagieren habe keiner etwas mitbekommen, da die Maschine im Anflug auf Barcelona ohnehin an Höhe verlor.
Doch der Copilot wandte schon auf dem Hinflug dieselbe Taktik an, mit der er Stunden später 149 Menschen, darunter 71 Deutsche, mit in den Tod riss. Der 27-Jährige wartete, bis der Pilot um 8.19 Uhr für knapp fünf Minuten das Cockpit verließ. Das Flugzeug hatte da noch seine Reisehöhe von 37 000 Fuß, rund 12 000 Meter. Bereits eine Minute später verringerte der Copilot die eingestellte Höhe für drei Sekunden auf 30 Meter. Zum Ausgleich gab er dann schnell den Maximalwert von 16 000 Metern ein, so dass sich die Höhe wieder stabilisierte. Aber zwei Minuten später entschied sich der 27-Jährige wieder für den brutalen Sinkflug, den er allerdings mehrfach wieder veränderte. Um 8.24 Uhr stabilisierte sich die Höhe auf 12 000 Metern. Kurz darauf kam der Pilot ins Cockpit zurück und landete die Maschine in Barcelona.
Doch der Copilot hatte genug geübt, um knapp zwei Stunden später sein tödliches Projekt dann umzusetzen. Mit grausamer Präzision beschreibt der 29 Seiten lange BEA-Bericht, wie der Mann dabei vorging. Wieder wartete er ab, bis der Pilot um 10.30 Uhr das Cockpit verließ. Der 34-jährige, erfahrene Kapitän mit 3800 Flugstunden sollte die Kabine nie wieder betreten, denn elf Minuten später zerschellte die Maschine am Pic de l\'Estrop. Nur Sekunden, nachdem der Pilot weg war, stellte der 27-Jährige - wie schon auf dem Hinflug - die Höhe auf 30 Meter ein. Gleichzeitig erhöhte er die Geschwindigkeit, um einen starken Aufprall zu garantieren. Von einem "kontinuierlichen und kontrollierten Sinkflug mit Autopilot" spricht der Zwischenbericht.
Drei Minuten später fragte ein alarmierter Fluglotse bereits nach der eingestellten Flughöhe, ohne eine Antwort zu erhalten. Dreimal sprach der Lotse vergeblich die Besatzung von Flug 4U9525 an. Danach schalteten sich auch das Kontrollzentrum in Marseille und die französische Luftverteidigung ein - ohne Ergebnis. Um 10.34 Uhr versuchte der Pilot, ins Cockpit zurückzukommen, denn der Türsummer war auf dem Stimmaufzeichnungsgerät zu hören. Insgesamt viermal betätigte der 34-Jährige den Kabinenruf. Es folgen sechsmal Geräusche an der Cockpittür sowie dumpfe Stimmen. "Mach die verdammte Tür auf", soll der Pilot zuletzt geschrien und dabei an die Tür geschlagen haben. Doch L. reagierte nicht - auf dem Band ist nur sein Atem zu hören.Das letzte Signal


Das letzte Signal, das von Flug 4U9525 erhalten ist, ist der Warnruf: "Terrain, Terrain, Pull Up, Pull Up", bevor die Maschine um 10.41 Uhr abstürzte. Alles deutet darauf hin, dass der Copilot, der sich in psychologischer Behandlung befand, das Flugzeug bewusst gegen den Berg steuerte. "Nachdem die Daten ausgelesen waren, erschien es der BEA als wahrscheinlich, dass ein Akt des unrechtma¨ßigen Eingriffes an dem Unfall beteiligt war", fassten die Ermittler in trockenen Worten ihre dramatischen Erkenntnisse zusammen.Extra

Auch zur Krankheitsgeschichte des Copiloten enthält der BEA-Bericht Details. So war in der Pilotenlizenz des 27-Jährigen ein Hinweis auf seine medizinische Vorgeschichte vermerkt (SIC-Eintrag). Dies bedeute, dass der Fliegerarzt vor der regelmäßigen Beurteilung der Flugtauglichkeit die Lizenzbehörde - in Deutschland das Luftfahrtbundesamt - kontaktieren müsse. Laut BEA erneuerte das flugmedizinische Zentrum der Lufthansa das Tauglichkeitszeugnis des Copiloten wegen dessen mit Medikamenten behandelter Depression 2009 zweimal nicht. Im selben Jahr habe er dann ein neues Tauglichkeitszeugnis erhalten. Dies zeige, dass der Fall des Mannes damals aufmerksamer untersucht worden sei, sagte BEA-Direktor Jouty. dpa

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