Geschäftsmodell Umweltschutz? - Wie die Umwelthilfe mit Abmahnungen Millionen einnimmt

Berlin · Der Ärger kündigt sich mit einem Fax an. Rechts oben prangt das Logo der Deutschen Umwelthilfe (DUH). Im zweiten Absatz steht: „Uns ist der nachstehend geschilderte Wettbewerbsverstoß Ihrer Firma bekannt geworden“.

Betroffen von Schreiben wie diesen sind Autohäuser, Immobilienmakler oder Händler von Elektrogeräten. Wenige Tage später geht der Brief dann auch im Original ein, auf Umweltpapier ausgedruckt und mit der Unterschrift von Jürgen Resch versehen, Chef der Organisation mit Sitz in Radolfzell am Bodensee und Berlin. Resch moniert in dem Schreiben, dass der Unternehmer gegen die Verordnung zur Energieverbrauchskennzeichnung verstoßen habe. Im Fall eines Maklers heißt es etwa: In seinem Angebot fehle die "Angabe zum wesentlichen Energieträger für die Heizung" des betroffenen Hauses.

Wer so ein Schreiben bekommt hat ein Problem. Das fängt schon damit an, dass der Adressat schnell reagieren muss. Die Fristen sind sportlich. Manchmal muss der Betroffene binnen drei Tagen bis "17:00 Uhr, hier eingehend", eine Unterlassungserklärung abgeben. Ansonsten droht der Rechtsweg. Und es kostet Geld. "Unsere Rechnung fügen wir ebenfalls bei." 245 Euro sind schon einmal nur für das Schreiben fällig. Und wenn der Makler noch einmal beim gleichen Verstoß erwischen lassen sollte, muss er eine Vertragsstrafe von 5001 Euro zahlen. An die Umwelthilfe, versteht sich.

Mit dem Abmahngeschäft nimmt die Umwelthilfe jedes Jahr Millionenbeträge ein. Von Jahr zu Jahr wird es mehr: 2014 waren es 2,323 Millionen Euro, 2013 1,790 Millionen, 2012 1,524 Millionen Euro. 2009 waren es noch 676 000 Euro. Diese Gelder haben zunehmend mehr Anteil am Etat der Organisation. Die Einnahmen aus dem "Verbraucherschutz", wie sie die Umwelthilfe in ihren Jahresberichten nennt, machten 2014 28 Prozent aller Einnahmen aus, 2013 waren es noch 22 Prozent. Resch erläutert gegenüber unserer Zeitung, wie die Umwelthilfe vorgeht: "Wir haben ständig etwa fünf Mitarbeiter dafür im Einsatz." Sie seien fest angestellt, nicht auf Provisionsbasis tätig. Sie durchforsteten das Internet auf Angebote mit Verstößen gegen diese und andere Verordnungen. Insgesamt hätten sie dabei rund 15 verschiedene Rechtsverordnungen im Blick. Zwei Mitarbeiter davon seien auch im Außendienst tätig, besuchten Autohäuser und den Einzelhandel auf der Suche nach Verstößen.

Die Abteilung, die für Abmahnungen zuständig ist, ist fleißig: 2015 gingen 1265 Abmahnungen heraus, 438 Mal kam es zu Gerichtsverfahren. Im Jahr davor waren es 1234 Abmahnungen und 386 Gerichtsverfahren.
Autohäuser, Immobilienmakler, Händler sind empört. Der Chef eines Möbelhauses sagt im Gespräch mit unserer Zeitung: "Da kommt ein Brief von einem Verein, den man nicht kennt, den man nicht kennen lernen will. Und dann muss ich zahlen, zahlen für eine Sache, die nicht einmal so richtig in meinem Einflussbereich liegt." Er wurde abgemahnt, weil in der Ausstellung von Küchen die Zettel mit der Energiekennzeichnung fehlen. "Wissen Sie, unsere Kunden knibbeln die Zettelchen vielfach ab, wenn sie Fotos für ihre Frau daheim machen."

Der Zentralverband Kraftfahrzeuggewerbe hat sich beim Klimaschutzkommissar der EU, Miguel Arias Canete, über das Geschäftsgebaren der Umwelthilfe beschwert. Die Umwelthilfe reklamiere "Verstöße, die nicht nachvollziehbar sind", heißt es in einem Brief, der unserer Zeitung vorliegt. Und weiter: "Abstruse Beispiele sind Schriftgröße der notwendigen Hinweise, deren Platzierung in einer Anzeige oder fehlende Hinweise beim Teilen von Artikeln" in den sozialen Netzwerken. Aufgrund der unsicheren Rechtslage habe die Umwelthilfe allein bei Autohändlern in den vergangenen sechs Jahren rund vier Millionen Euro mit den Abmahnungen kassiert. Selbst die "banalsten Verstöße" würden unnachgiebig geahndet. Die Organisation nutze die "unsichere Rechtslage" und missbrauche sie für "das eigene Geschäftsmodell", heißt es da weiter. Die EU-Kommission sei aufgefordert, "der von der Umwelthilfe aufgebauten Abmahnindustrie den Nährboden zu entziehen".

Der Chef der Organisation, Resch, reagiert gelassen auf die Kritik. Als eine von bundesweit 78 Organisationen sei die Umwelthilfe in die Liste der Verbände und Vereine beim Bundesamt für Justiz eingetragen, die das Recht haben, Verstöße gegen den unlauteren Wettbewerb und andere Verbraucherschutzgesetze mit dem Instrument der Abmahnung zu bekämpfen. Weit weist er den Vorwurf von sich, mit dem Abmahngeschäft Geld zu verdienen. Resch: "Wir wären mit dem Klammerbeutel gepudert, wenn wir aus Profitgründen abmahnen würden." Seine Organisation habe mit der "Marktüberwachung" noch nie einen Überschuss erwirtschaftet. Mehr noch: "Wir kommen mit den Einnahmen nicht annähernd auf unsere Kosten."

Resch geht noch einen Schritt weiter: Sein Verein müsse aktiv werden, weil der Staat systematisch bei Verstößen gegen die Pflicht zur Verbrauchskennzeichnung wegschaue. Die für den Vollzug zuständigen Landesbehörden weigerten sich, diese Vorschriften zu kontrollieren. Es werde kaum kontrolliert, und so gut wie nie würden Strafen wie Buß- oder Zwangsgelder verhängt. Resch: "Wir erleben einen Kniefall der Regierenden vor der Wirtschaft." Im grün regierten Baden-Württemberg sei es etwa der Autolobby gelungen, durchzusetzen, dass selbst bei schwerwiegenden Verstößen keine Bußgelder verhängt werden.

Immerhin haben die betroffenen Händler in Brüssel schon einmal erreicht, dass sich die EU-Kommission mit einer möglichen Überarbeitung der Richtlinie befasst. Dazu fanden im Januar und im März Sitzungen in Brüssel statt. Gehört wurden beide Seiten. Ihre Vorschläge für die Reform der Richtlinie liegen freilich weit auseinander. So will das Kraftfahrzeuggewerbe mögliche Streitpunkte ausräumen. Künftig solle die Richtlinie nur noch auf Autos angewendet werden, die noch nicht im öffentlichen Straßenverkehr bewegt wurden, fordert das Kfz-Gewerbe. Die Umwelthilfe regt dagegen an, dass künftig auch Gebrauchtwagen mit bis zu 50 000 Kilometer Laufleistung von der Richtlinie erfasst sein sollen. Nun ist die EU-Kommission am Zug.

Extra
Das Unterlassungsklagengesetz erlaubt der Umwelthilfe, Verbraucherschutzverbänden und anderen Organisationen, bei Verstößen gegen Rechtsvorschriften Unternehmen abzumahnen, zur Abgabe einer "strafbewehrten Unterlassungserklärung" aufzufordern, die Kosten dafür geltend zu machen und im Wiederholungsfall eine Vertragsstrafe einzufordern.
Dieses Abmahn-Verfahren soll der Rechtsvereinfachung dienen. Es soll helfen, ohne ein Gerichtsverfahren einen Streit rechtsverbindlich beizulegen.
Das Bundesamt für Justiz mit Sitz in Bonn ist für die Rechtsaufsicht zuständig. Hier müssen sich die Verbraucherschutz-Vereinigungen registrieren lassen. Derzeit sind 78 Verbände und Vereine in der so genannten "Liste der qualifizierten Einrichtungen gemäß Unterlassungsklagengesetz" gelistet. Darunter seit 2004 auch die Umwelthilfe.
Das Bundesamt für Justiz kontrolliert das Geschäftsgebaren der zugelassenen Vereinigungen. Nach Recherchen unserer Zeitung ist die Umwelthilfe erst kürzlich überprüft worden. Die Kosten für das erste Mahnschreiben durch eine qualifizierte Einrichtung sind gedeckelt, sie liegen derzeit bei Euro 228,97 plus Mehrwertsteuer 16,03 Euro.

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