Gestärkt, fröhlich, optimistisch

BERLIN. Erstaunlich, welche Aufregung eine scheinbar normale Kommunalwahl in den Berliner Parteizentralen verursachen kann. Selbst die Parteivorsitzenden meinten, sich noch am Sonntagabend vor den Kameras dazu äußern zu müssen, was sonst unüblich ist.

In den Parteizentralen galt es, die Deutungshoheit über das Ergebnis der Kommunalwahl zu erlangen, denn die alles überragende Landtagswahl in Nordrhein-Westfalen wirft ihre Schatten voraus. Wer im Mai 2005 an Rhein und Ruhr obsiegt, hat gute Chancen, auch die Bundestagswahl ein Jahr später zu gewinnen. Allerdings ist fraglich, ob die hohe Kunst der Interpretation auch tatsächlich von den Menschen verstanden wird. Es gehört schon eine Portion Phantasie dazu, ein Minus als positive Entwicklung zu erklären. Bundeskanzler Gerhard Schröder demonstrierte am Montag jedenfalls Gelassenheit und äußerte sich "zufrieden" über das Abschneiden seiner Partei. Gewiss, es sei nicht glanzvoll, aber man habe sich immerhin stabilisiert und dürfe deshalb hinsichtlich der Landtagswahl "sehr optimistisch" sein. Zur Erinnerung: Die SPD hat am Sonntag mit 31,7 Prozent das schlechteste Kommunalwahlergebnis ihrer Geschichte in NRW eingefahren. Doch die verhartzten Genossen sehen es schon als Erfolg an, "nur" 2,2 Punkte verloren zu haben. Außerdem saugen sie Hoffnung aus dem Ergebnis der grünen Bündnispartner, die um drei Prozent auf 10,3 Prozent zulegen konnten.Rote Herzkammer bleibt schwarz

Dass die Sozialdemokraten stärker als bisher an die Trendwende glauben oder glauben wollen, hängt aber noch mehr mit dem Ergebnis der Konkurrenz zusammen. Die CDU hat nämlich deutlich Federn lassen müssen (6,9 Prozent minus auf jetzt 43,4). Allerdings ist sie weiter mit Abstand stärkste Partei in der ehemaligen "Herzkammer der SPD". Zusammen mit der FDP (ein Plus auf 6,8 Prozent) liegt die CDU klar vorn und kann sich berechtigte Hoffnungen machen, im nächsten Jahr den Ministerpräsidenten stellen zu können. Deshalb äußerte sich Parteichefin Angela Merkel auch "außerordentlich zufrieden" und bezeichnete sich obendrein als "gestärkte und fröhliche Vorsitzende" - mit dem kleinen, aber verräterischen Hinweis, dass in den nächsten Monaten "noch viel Arbeit" auf sie warte. Hintergrund: Die Schwesterparteien CDU und CSU haben sich über den richtigen Weg zu einem effizienten Gesundheitssystem ernsthaft verzankt. Noch ist vollkommen offen, wie ihre unterschiedlichen Konzepte zu einem attraktiven Programm gezimmert werden könnten. Außerdem schwelt im Hintergrund weiter die berühmte K-Frage, wer nächste/r Kanzlerkandidat/in der Union wird. "Diese Debatte hat uns geschadet", meinte denn auch am Montag ein mäßig begeisterter CDU-Spitzenkandidat Jürgen Rüttgers, der den amtierenden Ministerpräsidenten Peer Steinbrück ablösen möchte.Genossen spüren Rückenwind

Auf jeden Fall haben sich die Genossen so aufgestellt, dass sie wieder Rückenwind spüren. Ob der sie nach vorne treibt oder noch weiter ins Abseits, könnte sich womöglich in Schleswig-Holstein entscheiden. Dort wird bereits im Februar 2005 gewählt, und gemäß der psychologisch wirkenden Fliehkräfte würde ein Erfolg auch die jeweiligen Kollegen in NRW beflügeln. Momentan gibt zumindeste eins im Norden Hoffnung: CDU-Spitzenkandidat Harry Carstensen watet durch ein Tief. Mitten im Wahlkampf kam ihm gar sein Wahlkampfmanager abhanden.

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