Gesund durch Sachverstand

BERLIN. Die Chefin übernimmt selbst: Angela Merkel versuchte gestern, den Konflikt in Sachen Gesundheitsreform in der großen Koalition zu schlichten. Der Erfolg ist offen.

Nach dem Tohuwabohu der letzten Tage suchte Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) den Konflikt um die Gesundheitsreform gestern in konstruktive Bahnen zu lenken. Sie habe mehrere unionsgeführte Länder ausdrücklich um eigene Vorschläge zu schwierigen Punkten gebeten, sagte Merkel in einem Interview.Auch CSU-Landesgruppenchef Peter Ramsauer schlug ungewöhnlich sanfte Töne an: "Alle Koalitionsparteien wissen, dass sie nun etwas vorangehen müssen." Offenbar wollte Merkel den Eindruck zerstreuen, dass die Regierungschefs der Unionsländer das Gesetzgebungsverfahren an sich ziehen und sie nur eine Getriebene ist.

Baden-Württembergs Ministerpräsident Günther Oettinger (CDU) hat seine Vorstellungen nach eigenen Angaben bereits zu Papier gebracht. Ein besonders heikler Punkt ist für den Unionspolitiker die geplante Neuregelung des kasseninternen Finanzausgleichs, bei dem wirtschaftsstarke Regionen mit hohen Einkommen mehr zahlen müssten als bisher. Profiteure wären Kassen in ärmeren Gebieten mit vergleichsweise starken Gesundheitsausgaben. "Wenn dies 50 Millionen Euro sind, dann habe ich damit kein Problem. Wenn dies aber 500 Millionen sind, dann habe ich damit ein großes Problem", meinte Oettinger. Die Mehrbelastung seines Landes hängt vor allem damit zusammen, wie die Überforderungsklausel für den Zusatzbeitrag der Versicherten ausgestaltet wird. Bislang besteht die SPD darauf, dass die Prämie ein Prozent des Haushaltseinkommens nicht übersteigen darf. Die Union ist zwar prinzipiell für eine Sozialklausel bei Niedrigverdienern. Doch lehnt sie die in den Eckpunkten vereinbarte Ein-Prozent-Grenze mittlerweile als wettbewerbsfeindlich ab.

Nachdem sich beide Seiten hoffnungslos verhakt hatten, kündigten Merkel und SPD-Chef Kurt Beck in der Vorwoche die Einschaltung von Sachverständigen zu diesem Punkt an. Für die Union wird der Regierungsberater Bert Rürup favorisiert. Für die SPD ist der ehemalige Barmer-Chef Eckart Fiedler im Gespräch. Eine offizielle Bestätigung steht allerdings noch aus. Rürup hat zwar das SPD-Parteibuch in der Tasche, doch bereits in der von Rot-Grün eingesetzten Kommission zur Zukunft der Sozialsysteme gab sich Rürup als Verfechter des Unionsmodells einer Kopfpauschale zu erkennen. Fiedler war bis Ende August Vorstandschef der Barmer-Ersatzkasse. Er gilt als enger Vertrauter von Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD). Bei der lautstarken Kritik an der Gesundheitsreform hatte sich Fiedler als beinah einziger Kassenchef zurückgehalten. Aus dem Gesundheitsministerium verlautete gestern, dass man sich auch einen Kassenvertreter als Sachverständigen vorstellen könne, der noch im Amt sei.

Derweil setzte die Gesundheitsarbeitsgruppe von Union und SPD gestern ihre Beratungen fort. Einig war man sich über den künftigen Beitragseinzug für den geplanten Gesundheitsfonds, der bei den Krankenkassen bleiben soll. Hier lagen beide Seiten allerdings von Anfang an kaum auseinander. Für die Beitragszahler zweifellos interessanter sind der schon erwähnte kasseninterne Finanzausgleich sowie der geplante Umbau der privaten Krankenversicherung. Hier konnte die Gesundheitsarbeitsgruppe noch keine substanzielle Annäherung erzielen. Nach Angaben von CSU-Landesgruppenchef Ramsauer soll die Spitzenrunde der Koalition am Mittwoch kommender Woche eine Einigung über die noch strittigen Punkte erreichen.

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