Gesundheit für viele unbezahlbar

TRIER. (wie/dpa) Deutschland hat eine Dreiklassen-Medizin, sozial Schwächere können sich immer weniger leisten, zum Arzt zu gehen. Während Experten deshalb fordern, die Belastungen für Arme zu streichen, fordert die Industrie: Rentner sollten noch mehr Beiträge zahlen, die Leistungen für alle sollten gekürzt werden.

Gerhard Trabert weiß, was Armut heißt. Der Sozialmediziner aus Mainz war bereits zu humanitären Einsätzen in Sri Lanka oder Afghanistan. Doch auch in Deutschland sieht er zunehmenden Hilfsbedarf: "Statt Brillen für Bangladesh sammeln wir bald Brillen für Arme in Deutschland", provoziert der Mediziner bei der Diözesan-Tagung des Sozialdienstes Katholischer Frauen in Trier. Deutschland habe längst eine Dreiklassen-Medizin, Arme würden immer weiter von der gesundheitlichen Versorgung ausgegrenzt. Viele könnten sich einen Arztbesuch oder Medikamentenzuzahlungen nicht mehr leisten, sagt Trabert, der in Mainz Obdachlose kostenlos behandelt. Dabei hätten vor allem sozial Benachteiligte ein erhöhtes Krankheitsrisiko: "Armut macht krank." Arme hätten ein mindestens doppelt so großes Risiko, krank zu werden, und eine bis zu sieben Jahre kürzere Lebenserwartung als Wohlhabende. Der "Armutsstress" verleite zu erhöhtem Alkohol- und Zigarettenkonsum und steigere die Depressionen. Vor allem die Gesundheit der Kinder sei in Gefahr. Schlechte Ernährung, zu wenig Bewegung und mangelnder Impfschutz führten häufiger zu Infekten, Gelenk- und Zahnerkrankungen. "Man wird künftig die soziale Herkunft an den Zähnen erkennen können", glaubt Trabert. In Rheinland-Pfalz leben nach Schätzung des Kinderschutzbundes rund 38 000 Kinder in Armut. Trabert fordert für die Betroffenen, Praxisgebühr und Medikamentenzuzahlungen abzuschaffen. Zumal die Zahl derjenigen ohne Krankenversicherung steigt. Knapp 300 000 Menschen in Deutschland sind ohne Versicherung. Darunter viele Arbeits- und Obdachlose. Ein Problem, das man in Trier schon vor Jahren erkannt hat. Im Brüderkrankenhaus gibt es eine Ambulanz, in der sich Wohnungslose kostenlos behandeln lassen können. Unterdessen hat der Deutsche Industrie- und Handelskammertag (DIHK) angesichts der Finanzkrise des Bundes höhere Belastungen für Rentner und gesetzlich Krankenversicherte gefordert. So sollten die Beiträge der Rentner an die Krankenkassen weiter steigen, verlangte DIHK-Präsident Ludwig Georg Braun. Zudem müssten die Leistungen für alle Versicherten gekürzt werden. Gesundheitsministerin Ulla Schmidt (SPD) wies die Forderungen energisch zurück.

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