Gipfeltreffen mit einem großen Unbekannten

Berlin · Die Präsidentschaft der Gruppe der 20 größten Wirtschaftsnationen hat jedes Land nur alle 20 Jahre. Da will man als Regierungschef, den dieser Glücksfall trifft, natürlich glänzen. Auch Angela Merkel, die morgen für ein Jahr den Vorsitz übernimmt. Zumal es das Wahljahr ist.

Berlin. Die Kanzlerin will bei dem Gipfeltreffen am 7. und 8. Juli in Hamburg beweisen, dass internationale Zusammenarbeit Sinn macht. Freilich macht Merkel ihre Gipfel-Pläne, ohne die Absichten des wichtigsten Teilnehmers zu kennen: US-Präsident Donald Trump. "Die vernetzte Welt gestalten", heißt das offizielle Motto; als Signet wurde ein Kreuzknoten gewählt. Das Treffen soll den Menschen wieder mehr Vertrauen in die Vorteile der internationalen Zusammenarbeit vermitteln und auch die Kritik an der Globalisierung aufgreifen. So umfangreich wie nie werden auch Nichtregierungsorganisationen beteiligt. Nicht weniger als sieben Foren, von G 20-Frauen über G 20-Jugend bis G 20-Wirtschaft wurden gebildet und sollen ihre Diskussionsergebnisse einspeisen.
Schon jetzt machen sich Merkel und ihr Chef-Unterhändler Lars-Hendrik Röller Gedanken über das Schlusskommuniqué. Kooperation statt Rückzug auf den Nationalstaat soll die Kernbotschaft sein. Berlin will die Anerkennung zweier zentraler internationaler Abkommen durch alle Teilnehmer bei den Beratungen voraussetzen: Der UN-Agenda 2030 zur Entwicklung der Welt und des Klimaabkommens von Paris. Darauf aufbauend sollen dann gemeinsame Handlungsverpflichtungen beschlossen werden. Von der Fortsetzung der Finanzmarktkontrolle, die nach der Bankenkrise 2008 das Gründungsmotiv der Treffen war, bis zum Kampf gegen Steuervermeidungsstrategien multinationaler Unternehmen; vom Bekenntnis zum Freihandel bis zur Zusage, das Klimaabkommen "ambitioniert" umzusetzen.
Bei null anfangen?


Darüber hinaus will die deutsche Präsidentschaft noch Themen wie den Kampf gegen Epidemien, die Steigerung der Frauenerwerbstätigkeit und die Arbeitsmarktintegration von Migranten nach vorne schieben.
Ob Donald Trump kommen wird, weiß man noch nicht sicher. Bisher hat außer einmal Putin jedoch noch nie einer gefehlt. Einige der zentralen Wahlkampfversprechen des neuen US-Präsidenten stehen der deutschen G 20-Agenda in jedem Fall diametral entgegen. Das beginnt bei seiner Ablehnung von Freihandelsabkommen, geht über die Verleugnung des Klimawandels und den angekündigten Umgang mit Migranten und endet mit einer strikten Industriepolitik für das eigene Land noch lange nicht. Trumps Kernaussage, "America first", Amerika zuerst, verträgt sich nicht mit Merkels Satz: "Wenn jeder für sich allein entscheidet, werden wir die Probleme nicht lösen."
Nun will Berlin erst einmal abwarten, was Trump wirklich macht, wenn er das Amt im Januar übernimmt. Gut möglich aber, dass die Unterhändler dann bei null anfangen müssen, zumal auch bei zwei weiteren wichtigen Teilnehmerländern, Frankreich und Italien, bis Juli Veränderungen an der Spitze anstehen könnten. Aber auch für den Fall, dass es ganz schlimm kommt, beschwört die Kanzlerin vorbeugend bereits den Sinn ihres Hamburger G 20-Gipfels. "Solche Treffen sind in einer solchen Phase wichtiger, als sie es vielleicht vorher waren".
Extra

Seit 1999 hat es in Deutschland vier Gipfeltreffen gegeben: Elmau, Juni 2015: Beim G 7-Gipfel in Schloss Elmau in Bayern beraten die Staats- und Regierungschefs sieben großer Industrienationen über Klimaschutz und den Ukraine-Konflikt. Sie einigen sich, "im Laufe des Jahrhunderts" eine Weltwirtschaft ohne Nutzung fossiler Energieträger zu ermöglichen. Angesichts der Eskalation in der Ostukraine drohen sie Russland mit Sanktionen. Straßburg/Kehl/Baden-Baden, April 2009: Die Nato-Mitgliedstaaten verständigen sich auf dem Jubiläumsgipfel zum 60. Geburtstag des Bündnisses in Straßburg und Baden-Baden auf den dänischen Regierungschef Anders Fogh Rasmussen als neuen Generalsekretär. Der Nato-Russland-Rat soll wieder tagen. Randalierer hinterlassen in Straßburg schwere Schäden. Heiligendamm, Juni 2007: Das Treffen an der Ostsee ist noch ein G 8-Gipfel mit Russland. Vor allem der Klimawandel, die Entwicklung Afrikas und Wirtschaftsthemen stehen auf der Agenda. Es wird vereinbart, erstmals gemeinsam eine globale Klimaschutzstrategie unter dem Dach der UN zu entwickeln. Um die Folgen von Aids, Malaria und Tuberkulose zu lindern, stellen die Teilnehmer 60 Milliarden US-Dollar in Aussicht. Köln, Juni 1999: Die G 8-Staaten bekennen sich zu einer Globalisierung mit "menschlichem Antlitz". Wirtschaftsreformen, freier Welthandel und die Sicherung der Sozialsysteme seien entscheidende Grundlagen für eine breite Verteilung des Wohlstandes. Den ärmsten Staaten sollen Schulden von 70 Milliarden US-Dollar erlassen werden. dpa

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