Glaubenspräfekt Müller wird Kardinal

Rom · Die Persönlichkeiten, die ein Papst in sein wichtigstes Beratergremium, das Kardinalskollegium, aufnimmt, geben stets auch Aufschluss über den kirchenpolitischen Kurs des Pontifikats. Und so ist mit großer Spannung erwartet worden, welchen kirchlichen Würdenträgern Franziskus knapp ein Jahr nach seiner Wahl die rote Scheitelkappe und den Kardinalsring als Zeichen ihrer neuen Würde überreicht.

Rom. Am Sonntag war es so weit: Papst Franziskus gab die Namen von 19 neuen Mitgliedern des Kardinalskollegiums aus 14 Ländern bekannt, die am 22. Februar im Vatikan während einer Versammlung der Kardinäle aufgenommen werden. Insgesamt überschreitet das Kardinalskollegium vom 22. Februar an mit dann voraussichtlich 122 wahlberechtigten von insgesamt 218 Mitgliedern wieder leicht die vorgeschriebene Obergrenze von 120.
Die Liste der neuen Kardinäle bestätigt vor allem zwei Entwicklungen, die sich seit Franziskus\' Amtsantritt abzeichnen. Zum einen wird die katholische Kirche unter dem argentinischen Papst (wieder) lateinamerikanischer - nachdem zuletzt zahlreiche Lateinamerikaner die Altersgrenze überschritten hatten.
Fünf der insgesamt 16 neuen Kardinäle, die jünger als 80 Jahre sind und damit zur Papstwahl berechtigt wären, kommen aus dem Heimatkontinent von Franziskus. Aus Afrika, Asien und Europa sind es jeweils zwei, aus Nordamerika gar nur einer.
Überrepräsentiertes Europa


Lateinamerika, wo fast 40 Prozent aller Katholiken leben, ist gegenwärtig mit 14 von 107 wahlberechtigten Kardinälen, das sind rund 13 Prozent, deutlich unterrepräsentiert. 61 der künftigen Wähler (Stand Ende Februar) - und damit exakt jeder zweite - kommen dagegen aus Europa.
Zum anderen verschieben sich unter Franziskus zwischen Weltkirche und römischer Kurie die Gewichte zugunsten der Weltkirche: Das zeigt sich nun an der Benennung des Generalsekretärs der Bischofssynode, Erzbischof Lorenzo Baldisseri, zum neuen Kardinal. Der Italiener trat sein neues Amt erst im September an. Seine Vorgänger hatten die Kardinalswürde allenfalls nach mehreren Jahren erhalten. Der Papst macht damit abermals deutlich, dass er die Versammlung der Bischöfe der Weltkirche als kollegiales Beratergremium stärken will. Baldisseri, der die Synode zum Thema Familie im kommenden Oktober organisiert, kann nun auf Augenhöhe mit den Kardinälen verkehren.
Und dann gab es noch ein protokollarisches Detail, das nicht ohne Symbolkraft war. In der Liste der Namen, die der Papst verlas, kam Baldisseri an zweiter Stelle, direkt hinter dem engsten Mitarbeiter des Papstes, Staatssekretär Pietro Parolin, aber vor den Leitern der vatikanischen Ministerien, der sogenannten Kongregationen.
Italien nicht berücksichtigt


Dass Franziskus Erzbischof Gerhard Ludwig Müller, den Präfekten der vatikanischen Glaubenskongregation, ins Kardinalskollegium aufnimmt, war erwartet worden - auch wenn einige Medien zuletzt über angebliche Differenzen zwischen beiden spekuliert hatten, etwa in der Frage der wiederverheirateten Geschiedenen.
Mit der ranggemäßen Kardinalserhebung macht Franziskus auch deutlich, dass er Müller schätzt und ihm vertraut.
Im jüngsten Konsistorium von Benedikt XVI., der den vormaligen Regensburger Bischof im Sommer 2012 an die Spitze der Glaubenskongregation berufen hatte, war Müller zur Überraschung mancher noch nicht zum Zuge gekommen. Nun gehört er ab 22. Februar zum Kreis der dann fünf wahlberechtigten deutschen Kardinäle.
Auffällig war schließlich auch, dass der Papst keinen der traditionellen Anwärter auf die Kardinalswürde aus Italien berücksichtigt hat. Statt der Inhaber der prestigeträchtigen Bischofssitze, dem Patriarchen von Venedig und dem Erzbischof von Turin, nimmt der Papst einen Bischof aus der zweiten Reihe, den Bischof des kleinen Bistums Perugia, Gualtiero Bassetti, ins Kardinalskollegium auf.Extra

Der frühere Regensburger Bischof Gerhard Ludwig Müller, seit 2012 Präfekt der Glaubenskongregation in Rom, gilt als Hardliner unter den deutschen Bischöfen. Grundlegende Reformen in der katholischen Kirche lehnt der 66-Jährige ab. Er hält sich streng an die offizielle Linie der Amtskirche. So ist Müller strikt gegen Frauen im Priesteramt und auch gegen eine Lockerung des Zölibats. Als Präfekt bekräftigte er unter anderem die Unauflösbarkeit der Ehe. Erzbischof Müller gilt als Freund des offenen Wortes und geht einer Konfrontation nicht aus dem Weg. So sieht er anders als viele seiner Kollegen etwa beim Thema sexueller Missbrauch durch Priester keine Verantwortung der Kirche. "Wir haben keinen umfassenden Missbrauchskomplex, sondern wir haben verteilt über Jahrzehnte Einzelfälle", sagte Müller einmal. Nicht die Kirche, sondern die jeweiligen Täter seien verantwortlich. Auch für den beurlaubten Limburger Bischof Franz-Peter Tebartz-van Elst hat sich Müller mehrfach eingesetzt. Sollte sich zeigen, dass dem umstrittenen Bischof nichts vorzuwerfen sei, dann habe die Gerechtigkeit und nicht das Kalkül Vorrang, meinte er. Vor allem in Südamerika steht Müller, der 2002 Bischof in Regensburg wurde, hoch im Kurs. In einem Armenviertel in Peru wurde er zum Ehrenbürger ernannt. Der 66-Jährige setzt sich schon lange für die Armutsbekämpfung in Peru ein. Müller wurde am 31. Dezember 1947 in Mainz-Finthen geboren und 1978 zum Priester geweiht. Jahrelang lehrte er an der Münchner Ludwig-Maximilians-Universität Dogmatik und ist dort bis heute Honorarprofessor. dpa

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