Gleiches Recht für gleichen Dreck

BERLIN. Bundesumweltminister Jürgen Trittin will an einer Förderung für saubere Dieselfahrzeuge festhalten. Zugleich strebt er eine steuerliche Gleichbehandlung für alle Verkehrsträger an, wie er im Interview mit dem TV sagte. Thema außerdem: Die aktuellen Forderungen aus der Union, wieder mehr auf Kernenergie zu setzen.

Herr Trittin, sind Sie auf den Kanzler noch gut zu sprechen?Trittin: Selbstverständlich. Immer. Aber Gerhard Schröder hat Sie abblitzen lassen, als er der Autoindustrie zusicherte, dass die Bundesregierung kein Gesetz zur Förderung von umweltschonenden Dieselrußfiltern vorlegen werde. Trittin: Überhaupt nicht. Seit 2003 vertritt die Bundesregierung gemeinsam mit Frankreich die Position, dass die EU-Kommission einen Grenzwert für eine neue europäische Abgasnorm vorlegen muss. Es gibt überhaupt keine Möglichkeit, einen nationalen Grenzwert festzulegen. Das habe ich auch nie vertreten. Tatsache ist, dass die Autoindustrie bis zum jüngsten Gespräch mit dem Kanzler alles getan hat, dass die EU-Kommission diese Entscheidung nicht trifft. Nun plädiert auch die Autoindustrie dafür, dass bis 2005 ein Vorschlag der EU für einen europäischen Grenzwert auf dem Tisch liegt. Das ist neu. Deshalb freue ich mich über das Verhandlungsergebnis von Gerhard Schröder. Was passiert, wenn sich die EU nicht bis zum kommenden Jahr einigt?Trittin: Es gibt die Möglichkeit, dass Deutschland die steuerliche Begünstigung trotzdem einführt. Diese Entscheidung liegt allerdings bei den Ländern, denn die KFZ-Steuer ist eine reine Ländersteuer. Insofern warten wir auf einen Gesetzesbeschluss im Bundesrat, der dann auch im Bundestag seine Zustimmung erhalten wird. Ich habe allerdings keinen Anlass zu der Annahme, dass sich die EU-Kommission dieser Verantwortung entzieht, zumal der Druck der Autolobby gegen eine einheitliche Norm jetzt weg ist. Sollen die Länder trotzdem aktiv werden? Trittin: Selbstverständlich können die Länder einen Gesetzentwurf vorlegen, der die Einführung von Techniken für saubere Dieselfahrzeuge nach einem definierten Standard zum Inhalt hat. Ich unterstütze alles, was zur Verbesserung der Luftreinheit beiträgt. Dann unterstützen Sie auch den Bundesfinanzminister, der kürzlich eine Kerosinbesteuerung für den Flugverkehr angeregt hat? Trittin: Alle steuerlichen Subventionen müssen daraufhin überprüft werden, ob sie zu Verzerrungen zwischen einzelnen Verkehrsträgern führen. Der Steuerverzicht bei Flügen führt zu einer Benachteiligung der Bahn. Das sind Verhältnisse, die auf Dauer nicht haltbar sind. Entweder man unterwirft alle Verkehrsträger der gleichen Besteuerung oder der gleichen Subvention. Alternativ kann man also auch die Bahn steuerlich freistellen. Dann herrscht wieder Wettbewerbsgleichheit. Wann soll dazu eine Entscheidung fallen? Trittin: Die Koalition hat sich darauf verständigt, in diesem Jahr zu entscheiden, ob die Bahn genau so steuerlich privilegiert wird wie das Flugzeug, oder ob die Benachteiligung durch eine Streichung des Steuerprivilegs beendet wird. Hinter dem Vorstoß des Finanzministers steckt weniger Liebe zur Umwelt als viel mehr das Problem "Haushaltsloch". Welchen Sparbeitrag muss Ihr Ministerium leisten?Trittin: Der Beitrag des Umweltministeriums zur Sanierung des Haushalts dürfte angesichts eines Gesamtanteils von 0,3 Prozent nicht so überwältigend ausfallen. Hans Eichel freut sich über jeden Euro… Trittin: Die Gespräche zur Haushaltsaufstellung sind noch nicht abgeschlossen. Ansonsten kann ich nur sagen, wenn man alle ökologisch schädlichen Subventionen in Deutschland abbauen würde, dann käme ein Vielfaches des Haushalts des Umweltministeriums zusammen. Was fällt Ihnen da zuerst ein? Trittin: Unsere Vorschläge sind bekannt. Die größte Subvention ist mit neun Milliarden Euro die Eigenheimzulage, die eine Zersiedlungsprämie darstellt. Herr Trittin, der hohe Ölpreis hat die Diskussion um die Atomkraft neu belebt. Ist ein wirksamer Klimaschutz ohne Kernkraft überhaupt machbar?Trittin: Er ist nur mit dem Atomausstieg machbar. Und zwar aus einem ganz einfachen Grund: Atomkraft führt zu massiver Energieverschwendung, weil sie ein permanentes Überangebot produziert und letztlich auch im fossilen Energiebereich zu massiven Verschwendungen führt. Es ist ein Ammenmärchen, dass Atomkraft irgend etwas zum Klimaschutz beiträgt. Atomenergie ist als Energieträger nicht steuerbar für eine bedarfsgerechte Lieferung. In Bayern wird über den Bau neuer Kernkraftwerke nachgedacht.Trittin: Das ist verlogen. Edmund Stoiber hat sämtliche Vorrang-Standorte für Atomkraftwerke aus der bayerischen Landesplanung gestrichen. Das Gerede, das da aus Bayern kommt, hat mit der Realität nichts zu tun. In Wirklichkeit hat sich auch die CSU längst von dieser Option verabschiedet, weil die Akzeptanz für diese Technologie auch in Bayern fehlt. Können erneuerbare Energien den wachsenden Bedarf der Welt decken? Trittin: Das Programm, das wir bei der internationalen Konferenz in Bonn dafür aufgelegt haben, zielt drauf ab, dass bis 2015 eine Milliarde Menschen Zugang zu alternativen Energieträgern erhalten sollen. Damit könnte man den jährlichen Gesamtausstoß von Kohlendioxid in Japan einsparen. Japan steht beim C02-Ausstoß immerhin an vierter Stelle in der Welt. Das ist eine Dimension, die zeigt, dass erneuerbare Energien kein Nischendasein mehr fristen. Das Interview führte unser Korrespondent Stefan Vetter.

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