Glühbirnen raus, Zigaretten aus!

BERLIN. Verbieten, verbieten, verbieten! Die Politiker der Republik rufen ständig nach Verboten. Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) hat jetzt genug davon und sagt: "Ich kann es nicht mehr hören."

 Müde diskutiert: Die Debatte um das Rauchverbot in Deutschland mag keiner mehr hören. Foto: dpa

Müde diskutiert: Die Debatte um das Rauchverbot in Deutschland mag keiner mehr hören. Foto: dpa

Da trinkt sich ein 16-Jähriger in Berlin mit 45 Tequila in den komatösen Vollrausch, schon schreien die Drogenbeauftragten der Bundestagsfraktionen nach einem Alkoholverbot für unter 18-Jährige. Derzeit erlebt Deutschland eine Inflation an Vorschlägen, was man verbieten muss, um einem Problem Herr zu werden. Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) liest jetzt ihren forschen Politikkollegen die Leviten: "Ich kann es bald nicht mehr hören. Ich bin für ein Verbot der Verbote", so Kastner zu unserer Zeitung. So ganz geheuer scheint den Politikern also selber der Ideenwettstreit nicht mehr zu sein. Verbraucherschutzminister Horst Seehofer (CSU) spricht schon von einer "Olympiade der Verbote". Man nehme nur die Klimaschutzdebatte: Der Vorschlag, die Glühbirne zu verbieten, ist fast schon ein Klassiker. Nach Ansicht des SPD-Politikers Hermann Scheer könnten dadurch gleich zwei Atomkraftwerke eingespart werden - wer es glaubt. Die Grünen fordern, Stand-By-Schaltungen nicht mehr zu erlauben; einige haben es sogar auf die Kuh und ihre Fladen als Klimakiller abgesehen. Vom Verbot der Fern- und Flugreisen ("Sylt statt Seychellen") ganz zu schweigen. Der Hang zur Übertreibung ist anscheinend ein deutsches Phänomen. Und wenn gar nichts mehr geht, wird das Sonntagsfahrverbot auf Autobahnen und das Tempolimit aus den Mottenkisten geholt. Beides ist ohnehin chancenlos angesichts der starken Autolobby. Aber gut, dass alle paar Monate darüber geredet wird. "Ich weiß nicht, warum man immer den Weg der eigenen Gewissensbefriedigung gehen muss", kritisiert Vizepräsidentin Kastner. Sie rät den Abgeordneten: "Erst nachdenken, dann reden." Viele der in der letzten Zeit gemachten Vorschläge seien zudem untauglich. "Appelle ans Verantwortungsgefühl der Menschen bewirken mehr. Da braucht man aber Überzeugung und eine gesellschaftliche Debatte", fordert die SPD-Politikerin. Vielleicht meint sie damit auch das Verbot von Killerspielen, eine überaus beliebte Diskussion. Nutzen und Folgen bewerten Wissenschaftler meist anders als die schnellen Politiker. Fast gequält wurde die Öffentlichkeit jedoch lange Zeit mit dem Rauchverbot in öffentlichen Räumen, insbesondere in Gaststätten. Kommende Woche treffen sich die Ministerpräsidenten, um über den Kompromiss ihrer Gesundheitsminister zu beraten. Wie zu hören ist, droht in dieser Frage "neuer Ungemach". Den Vogel schoss dabei die Drogenbeauftragte der Bundesregierung, Sabine Bätzing (SPD), ab, als sie sich für das Ende der Qualmerei in Autos einsetzte. Freiheit adé. Inzwischen fürchtet selbst Bundesumweltminister Sigmar Gabriel (SPD) den Unmut der Bürger, wenn nur noch "Verzicht und Askese" gepredigt wird. Gerne angesprochen wird auch das Bettelverbot in Innenstädten. Und es gibt sogar Politiker, die wollten Dieter Bohlen verbieten - wegen seiner unfreundlichen Kommentare bei der Show "Deutschland sucht den Superstar". Zum Glück führen aber auch andere solche Debatten: Unlängst forderte der britische Thronfolger Prinz Charles, Schnellrestaurants von McDonalds zu verbieten. Das würde die Gesundheit der Kinder verbessern.GLOSSE

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