Goldgräber in Nadelstreifen

WASHINGTON. Goldgräberstimmung in der US-Wirtschaft: Vom Aufbau des Irak werden in erster Linie amerikanische Unternehmen profitieren.

Die Erklärungen aus Berlin, Moskau und Paris ließen gestern kaum Zweifel daran: US-Präsident George W. Bush wird den Löwenanteil des kostspieligen Wiederaufbaus des Irak aus dem eigenen Haushalt aufbringen müssen. Doch dank der Mehrheitsverhältnisse im US-Kongress sind trotz des erkennbaren Widerstandes zahlreicher Demokraten die erhofften 87 Milliarden Dollar aus dem amerikanischen Steuerzahler-Topf so gut wie sicher. Die Weigerung der europäischen "Dreier-Achse", sich derzeit weiter finanziell im Irak zu engagieren, lässt sich unter einem Blickwinkel gut nachvollziehen: Nach den bislang in Washington bekannt gewordenen Auftrags-Vergaben wird ein überwältigender Anteil von amerikanischen und britischen Unternehmen von der "Goldgräber-Stimmung" in dem besetzten Land profitieren. Das wird bereits am Beispiel des US-Unternehmens DnyaCorp deutlich, das von der Regierung einen Vorbescheid über den lukrativen Vertrag zur Einrichtung einer polizeilichen Infrastruktur erhalten hat. Für die 1500 Ausbilder wird dem US-Steuerzahler von DnyaCorp Kongress-Abgeordneten zufolge pro Kopf ein Monatsgehalt von umgerechnet 20 000 Euro in Rechnung gestellt. DnyaCorp versucht derzeit, auf dem US-Arbeitsmarkt Personal für diese Aufgabe anzuwerben, bietet den Interessenten aber "nur" Monatsgehälter von umgerechnet 6200 bis 13 000 Euro. "Das riecht nach Goldrausch", meinen Experten. Derzeit halten sich nach Schätzungen von Regierungsmitgliedern bereits 20 000 Vertreter und Angestellte von US-Privatfirmen im Irak auf. Unter ihnen auch zahlreiche Mitarbeiter der Firma Kellogg, Brown & Root, einer Tochterfirma des einst vom heutigen Vize-Präsidenten Dick Cheney geführten Halliburton-Konzerns, um dank eines Exklusiv-Vertrags die irakische Öl-Infrastruktur zu modernisieren. Auch Großbritannien profitiert: Das britische Unternehmen Erinys bewacht Ölfelder und Pipelines vor Anschlägen. Der weitaus größte Teil der Aufträge kommt jedoch US-Unternehmen zugute - wie dem Raupen- und Bagger-Produzenten Caterpillar, der seit Kriegsende 600 seiner Fahrzeuge in den Irak liefern durfte und eine Flut weiterer Aufträge erwartet. Angesichts des Wiederaufbau-Fiebers zweifeln Oppositionspolitiker in Washington daran, ob genug Transparenz vorhanden ist, um die Verwendung öffentlicher Gelder wirksam zu kontrollieren. In Regierungskreisen weist man jedoch darauf hin, dass derzeit vor allem das Tempo des Wiederaufbaus wichtig sei. Zudem sieht ein vom US-Senat entworfener Zusatz zum von Bush geforderten 87-Milliarden-Paket vor, mit Regierungsaufträgen bedachte Firmen dann mit Strafgeldern zu belegen, wenn diese einen übermäßigen Profit aus den Nachkriegs-Aufgaben ziehen sollten - und dieses nachgewiesen werden kann.

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