Griechenlands teurer Sommer naht – ohne Geld

Brüssel · Erneut einigen sich die Euro-Finanzminister nicht. Dabei braucht Athen bis Jahresende 18 Milliarden.



Sitzungen, bei denen vor Beginn feststeht, dass nichts herauskommen wird, heben nicht die Laune: So geschehen beim Treffen der 19 Euro-Finanzminister am Montag. Noch ehe etwa Wolfgang Schäuble in Brüssel einschwebte, war schon klar, dass die Runde sich erneut nicht mit dem griechischen Kollegen Gianis Varoufakis über weitere Reformen und Finanzhilfen für sein Land würde verständigen können. Daran konnte auch nichts ändern, dass sich der Deutsche und der Grieche kurz vor dem offiziellen Beginn zu einem bilateralen Gespräch trafen.

Am Ende stand eine dürre, elfzeilige Erklärung der Eurogruppe, in der zwar die "erzielten Fortschritte" gelobt, aber auch "mehr Zeit und Anstrengungen" für erforderlich gehalten werden, um das zweite Hilfsprogramm abschließen und die in Athen sehnlichst erwartete Hilfszahlung über 7,2 Milliarden Euro auszuzahlen.

Formaler Grund dafür war, dass den Ministern keinerlei Entscheidungsgrundlage vorlag. Bei den vorbereitenden Gesprächen haben sich griechische Regierung und ihre Geldgeber, repräsentiert von EU-Kommission, Europäischer Zentralbank und Internationalem Währungsfonds (IWF), zwar in bestimmten Punkten wie der Mehrwertsteuer oder Privatisierungen angenähert, doch bleiben Reformen des Arbeitsmarkts oder des Rentensystems hoch umstritten. Für das Wochenende geplante Beratungen der sogenannten "Brussels Group" fielen deshalb ganz ins Wasser. "Es gab am Samstag und Sonntag wieder Kontakte auf allen Ebenen, aber keine gemeinsame Sitzung, in der ein gemeinsames Papier hätte erarbeitet werden können", sagte ein Vertreter der Geldgeber-Troika dieser Zeitung, "dafür fehlen uns immer noch entscheidende Unterlagen von griechischer Seite."

Bis auf atmosphärische Verbesserungen, von denen allenthalben berichtet wird, seit Euklides Tsakalotos vor zwei Wochen Minister Varoufakis als Chefverhandler abgelöst hat, sehen die Europartner wenig Handfestes. "Inhaltlich gibt es keinen nennenswerten Fortschritt", sagte der slowakische Minister Peter Kazimir am Montag. Ein Diplomat eines Eurolandes nennt ein typisches Beispiel aus den Verhandlungen: "Die Griechen sagen, sie wollen das Rentensystem reformieren, aber nicht, um welche Pensionen es gehen soll und wie viele Personen betroffen wären. So können wir die finanziellen Auswirkungen nicht beziffern und sagen, was dafür an anderer Stelle eingespart werden muss."

Varoufakis beharrt darauf, seine Regierung habe "alles Menschenmögliche getan", um eine Lösung zu erzielen: "Die Fortschritte sind nicht nur prozedural, sondern auch substanzieller Natur. Wir haben schon viele Zugeständnisse in den Verhandlungen gemacht", sagte der Athener Minister. "Das ist eine Formulierung, die wir nun seit vier, fünf Monaten hören", konterte der Österreicher Hans Jörg Schelling, "ohne dass es zu echten Fortschritten gekommen wäre." Das Schwarze-Peter-Spiel geht somit weiter.

Die Zeit für eine Lösung wird knapp, da auch Varoufakis einräumt, ein "ernstes" Liquiditätsproblem zu haben. Bisher ist es der Athener Regierung gelungen, fällige Kreditrückzahlungen dadurch zu leisten, dass sie liquide Mittel von Kommunen, Unis und Staatsbetrieben abzog. So werden an diesem Dienstag auch 700 Millionen Euro gegenüber dem IWF beglichen. Dies ist jedoch nur der Auftakt eines teuren griechischen Sommers, da sich der Schuldendienst allein im Juli und August auf knapp neun Milliarden Euro beläuft. Selbst wenn EU und IWF Ende Juni die noch ausstehenden 7,2 Milliarden Euro überwiesen, wird es eng. Bis Jahresende sind insgesamt gar 18 Milliarden Euro fällig.

Angesichts der Schwierigkeiten mit dem laufenden zweiten Hilfsprogramm betrachtet es Wiens Minister Schelling als "ganz schwierig, in den Parlamenten für ein drittes Programm zu argumentieren". Schäuble sieht daher nun die Zeit für elementare Entscheidungen in Athen gekommen. Es sei "vielleicht eine richtige Maßnahme", die Bürger des Landes wie von der Regierung angedeutet, in einer Volksabstimmung entscheiden zu lassen, ob sie die für einen Verbleib in der Währungsunion notwendigen Spar- und Reformmaßnahmen mittragen - oder, so Schäuble, "das Andere" wählen. Sein griechischer Kollege Varoufakis sagte dagegen, seine Regierung verhandele mit dem Mandat der Wahl und brauche derzeit kein neues: "Ein Referendum ist immer eine Option, aktuell aber nicht auf unserem Radar."

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