Großes Rätselraten mit und um Gregor Gysi

Bielefeld/Berlin · Eigentlich sollte das Ringen um ein "emanzipatorisches Grundeinkommen" im Mittelpunkt stehen und der Kampf gegen "prekäre Arbeit". Doch derlei Herzblutthemen dürften in den Hintergrund treten, wenn die Linke an diesem Wochenende in Bielefeld zu ihrem Bundesparteitag zusammenkommt.

Gregor Gysi hat das Drehbuch der zweitägigen Veranstaltung umgeschrieben. Der Chef der Linksfraktion will in Bielefeld über seine politische Zukunft sprechen. Eine halbe Stunde Zeit hat die Parteitagsregie dafür vorgesehen. Und das auch noch fast am Ende des Parteitages. Seit einigen Wochen schon wird nun gerätselt, ob diese zeitliche Platzierung gleichsam symbolisch für eine Entscheidung Gysis stehen könnte, im Herbst nicht wieder für den Fraktionsvorsitz zu kandidieren und damit möglicherweise einen Schlussstrich unter seine politische Karriere zu ziehen.
Es wäre ein tiefer Einschnitt für die Linke. Denn nach wie vor ist der 67-Jährige das größte Zugpferd der Partei, wenn es um den inneren Zusammenhalt geht - und um Wählerstimmen.
Einige Landesvorsitzende aus dem Osten appellierten deshalb prompt an Gysi, im Amt zu bleiben. Im kommenden Jahr finden dort gleich mehrere wichtige Wahlen statt. Gefühlt steht das 1,64 Meter kleine Redetalent schon seit einer halben Ewigkeit an vorderster Linken-Front. Er war Parteichef, als seine Truppe noch PDS hieß. Und er führt seit 2005 ununterbrochen die Bundestagsfraktion.
Wie zu hören war, will sich Gysi in seiner angekündigten Rede darauf konzentrieren, die Regierungsfähigkeit der Linken im Bund zu beschwören.Versteckspiel mit Witzchen



Die ganz Linken unter den Linken mit ihrer Frontfrau Sahra Wagenknecht an der Spitze sind dagegen auf Daueropposition abonniert. Vor diesem Hintergrund wäre es logisch, dass Gysi die Sache weiter selbst in die Hand nimmt, um seine Partei 2017 bei einem entsprechenden Wahlergebnis in eine rot-rot-grüne Koalition zu führen. Andererseits steht der gebürtige Berliner "im Zenit seines Ansehens", wie ein einflussreicher Genosse formulierte. Ginge die Sache mit der Regierungsteilhabe schief, wäre Gysi fast 70 und hätte "eine Umdrehung zu viel" gemacht. Um die Spannung am Kochen zu halten, wurden in Gysis Umfeld beide Überlegungen kolportiert. Sowohl für die eine als auch die andere gebe es "nachvollziehbare Argumente".
Gysi trieb das Versteckspiel bis zuletzt mit launigen Bemerkungen in mehreren Interviews auf die Spitze. Mal witzelte er, bis 90 weiterzumachen. Ein anderes Mal philosophierte Gysi, er könne auch in Bielefeld sagen, "dass ich nicht mehr kandidiere".
Derweil bekundeten die beiden Parteivorsitzenden Katja Kipping und Bernd Riexinger, für alle Szenarien´ gewappnet zu sein. Ihnen bleibt auch nichts anderes übrig, als bei der Gysi-Show mitzuwirken.
Ein Duo an der Spitze der Fraktion war bereits von einem Bundesparteitag im vergangenen Jahr gefordert worden.
Gewiss ist einstweilen nur, dass Oskar Lafontaine dem Parteitag fernbleiben will. Aber das Verhältnis zwischen dem Saarländer und Gysi ist ohnehin nicht mehr das beste.

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