Grüner Coup gegen den Gelben Riesen

Kaum war der Post-Mindestlohn gestern mit großer Mehrheit im Bundestag beschlossen, da tickerte eine Eilmeldung aus dem Springer Verlag über die Nachrichtenagenturen: Der Medien-Konzern dreht seiner hoch defizitären Tochter Pin Group den Geldhahn zu. Nun will Pin-Chef Günter Thiel die Springer-Anteile am Postkonkurrenten kaufen.

Berlin. Schon vor Tagen hatte Pin wegen der absehbaren Entscheidung die Entlassung von mindestens 1000 Beschäftigten angekündigt. In der Bundestagsdebatte verwahrte sich Arbeitsminister Olaf Scholz (SPD) gegen einen solchen Zusammenhang: Es sei "professoraler Unsinn", dass der Mindestlohn Arbeitsplätze koste. Vielmehr würden damit Arbeitsplätze geschaffen, rief Scholz.In das prompte Hohngelächter auf den FDP-Bänken wollte die Union zwar nicht einstimmen. Vielen CDU-Abgeordneten stand jedoch das Unbehagen ins Gesicht geschrieben. Bei einer Probeabstimmung am vergangenen Dienstag hatten rund 20 ihrer Parlamentarier gegen den Post-Mindestlohn votiert. Davon blieben gestern 19 Abgeordnete bei ihrer Meinung. Weitere sechs votierten mit Enthaltung.Derweil stimmten SPD, Grüne und Linksfaktion in seltener Allianz fast geschlossen für das Vorhaben. Mit dem Beschluss können die von Verdi und dem von der Post dominierten Arbeitgeberverband "Postdienste" vereinbarten Lohnuntergrenzen für allgemeinverbindlich erklärt werden. Beschäftigte im Osten erhalten pro Stunde zwischen acht und neun Euro. Bei ihren Kollegen im Westen liegt die künftige Vergütung zwischen 8,40 Euro und 9,80 Euro. Kritiker sehen in diesen vergleichsweise hohen Bezügen eine Zementierung des Post-Monopols. Dagegen erwartet Scholz einen intensiven Wettbewerb um mehr Qualität, statt um die geringsten Löhne.Der Arbeitsmarktexperte der Union, Ralf Brauksiepe, verwies gestern auf den ausgehandelten Kompromiss, wonach die Mindestlöhne nur für "überwiegend" mit der Briefzustellung befasste Arbeitnehmer gelten sollen. Damit sind zum Beispiel Paketdienste, die gelegentlich auch Briefe befördern, außen vor. Der wirtschaftspolitische Sprecher Laurenz Meyer (CDU) räumte ein, dass das Gesetz ein "bisschen dazu missbraucht" wurde, den Wettbewerb im Sinne der Post zu steuern. Zugleich machte er sich für eine Aufhebung des Umsatzsteuerprivilegs der Post AG stark, um Postkonkurrenten nicht länger zu benachteiligen.Wegen ihres flächendeckenden Angebots ist die Post AG von der Umsatzsteuer befreit. Neue Unternehmen wie Pin oder TNT, die erst langsam im Markt Fuß fassen, müssen die Steuer dagegen bezahlen. Mit der Forderung der Union ist neuer Streit in der Koalition programmiert. Das umso mehr, als die Post-Konkurrenten noch während der Bundestagsdebatte einen überraschenden Coup landeten: Wie das Arbeitsministerium bestätigte, reichten Pin und TNT einen eigenen Tarifvertrag mit der kürzlich gegründeten Gewerkschaft "Neue Brief- und Zustelldienste" zur Prüfung ein. Er sieht Mindestlöhne nur zwischen 6,50 Euro und 7,50 Euro vor. Der Trick dabei: Die Post-Konkurrenten definieren ihr Briefgewerbe gegenüber dem Gelben Riesen als "qualitativ" höherwertige Leistung, weil es sich etwa um termingenaue Zustellungen oder Sendungsverfolgungen handele. Im Bundeswirtschaftsministerium stieß die Nachricht auf großes Wohlwollen. Ressortchef Michael Glos (CSU) war stets ein Gegner des Post-Mindestlohns à la Verdi. Der gestrigen Bundestagsdebatte blieb er demonstrativ fern.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort