Grüner Wille zur Gestaltung setzt sich durch

Neuwied · Pfiffe und Buhrufe, aber auch Begeisterung und Jubelstürme: Die rheinland-pfälzischen Grünen starten trotz heftiger Bauchschmerzen an einigen Stellen freudig in ihre erste Regierungszeit.

Neuwied. "Den Wandel gestalten", steht auf einer großen Leinwand hinter dem Podium bei der Landesdelegierten-Versammlung der Grünen. Genau das kann die Ökopartei in Rheinland-Pfalz nun machen. Aber etliche Menschen auch in den eigenen Reihen sind schon vor dem Start der Regierung enttäuscht und verärgert. Bundestagsfraktionschef Jürgen Trittin weist anfangs auf die sehr ungleichen Verhandlunsgsbedingungen hin - hier die Profis der SPD, dort die Ehrenamtlichen der Grünen. Diese hätten "das klasse gemacht".
Trittin kennt die Fallstricke für die Delegierten. "Der Landesvorstand schlägt euch keine Formelkompromisse vor, sondern mutet euch zu, schmerzhafte Entscheidungen zu fällen." Das sei richtig so, "denn später wird es nur schmerzhafter werden".
Am meisten zu schaffen macht den Grünen der große Knackpunkt Hochmoselübergang. Die Bürgerinitiative "Pro Mosel" protestiert draußen, verteilt Papiere, redet auf Delegierte ein, versucht alles, um doch noch Einfluss zu nehmen. Gastredner Georg Laska nimmt Stellung am Mikrofon und warnt, die Kosten könnten auf eine halbe Milliarde Euro steigen. Ein Delegierter fordert, wenigstens eine Mediation oder einen Stresstest durchzusetzen. "Ich bin nicht enttäuscht, ich bin empört", ruft ein Mann von der Zuhörertribüne. Alles vergeblich.
"Die Monsterbrücke war, ist und bleibt falsch", sagt Grünen-Landessprecher Daniel Köbler. Doch die Alternative "wäre eine Große Koalition gewesen, die sie auch gebaut hätte". Die neue Umweltministerin Ulrike Höfken nimmt ebenfalls kein Blatt vor den Mund. "Das ist und bleibt Irrsinn." Es gehe aber um Macht. "Soviel Macht hatten wir nicht, um das Projekt noch zu verhindern." Zu spüren bekommen die Grünen den Unmut von Koblenzer Justizbediensteten, von denen rund ein Dutzend gegen die Sparpläne protestiert. Daniel Köbler wirbt für Verständnis: "Wir müssen Einsparungen hinbekommen." Man werde aber "im Einzelfall genau hinschauen".
Generell äußern sich trotz der Zugeständnisse an die SPD die meisten Redner wohlwollend. Sie finden die grüne Handschrift im Koalitionsvertrag wieder. Beispiele: Energiewende, neue Verkehrspolitik mit mehr Geld für Bus und Bahn, Einstieg in eine Landwirtschaft ohne Industrialisierung und Massentierhaltung, mehr Bürgerrechte ohne Online-Durchsuchungen und weniger Video-Überwachungen.
Letztlich lockt die Delegierten nicht nur die Chance, eigene politische Inhalte im Land durchzusetzen. Sie wissen sehr wohl, dass sie auch die Entwicklung auf der Bundesebene stärker beeinflussen können. Die Grünen haben den Koalitionsvertrag mit 189 von 205 Stimmen bei 13 Gegenstimmen und drei Enthaltungen gebilligt. Die Einschätzung der Vertreter aus der Region:
Gerd Dahm, Fraktionschef Stadtrat Trier: "Ich stimme gegen den Vertrag. Der Hochmoselübergang darf nicht kommen, in der Bildung haben wir nichts zu sagen."
Jutta Blatzheim-Roegler, MdL Bernkastel-Wittlich: "Wir haben alles versucht, das Ding (Hochmoselbrücke, d. Red.) noch zu kippen. Das ist auch für mich persönlich eine bittere Niederlage. So sein Abgeordnetendasein zu beginnen, hat man sich auch nicht vorgestellt."
Britta Steck, Schatzmeisterin, Bernkastel-Wittlich: "Wir haben mit diesem Vertrag viel erreicht, gerade für den ländlichen Raum. Trotz der Kröte Hochmoselübergang ist unser Kreisverband nicht zerstritten. Er steht hinter dem Vertrag."
Ulrike Höfken, MdB und designierte Umweltministerin: "Wir stehen hier nicht aus Vergnügen, sondern weil es die Notwendigkeit gibt umzusteuern. Der Vertrag ist nur ein Weg, gehen müssen wir ihn zusammen."
Georg Laska, Bürgerinitiative "Pro Mosel": "Die Grünen sagen, die Kosten für den Stopp des Hochmoselübergangs seien zu hoch. Diese Auffassung können wir nicht teilen." Ise Thomas, ehemalige Fraktionschefin der Grünen im Landtag, wird nicht Präsidentin der SGD Nord in Koblenz. Sie leitet vielmehr künftig die Hauptabteilung im neuen Integrationsministerium. Wer Chef der SGD Nord und Vize der SGD Süd in Neustadt wird, haben die Grünen noch nicht entschieden. Der jeweilige Amtsantritt steht erst im Herbst an.

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