Grünes Herz und viele Krankheiten

LUXEMBURG. Die Zeit ist knapp: Der ehemalige US-amerikanische Vize-Präsident Al Gore hat am Montag und Dienstag Luxemburg besucht. Gore referierte dabei über das Thema Klimaschutz. Dass der 58-Jährige noch einmal als US-Präsident kandidieren wird, bezeichnet er als "unwahrscheinlich".

Al Gore zu Besuch in Luxemburg. TV-Foto: Denise Juchem

Al Gore zu Besuch in Luxemburg. TV-Foto: Denise Juchem

Die elektrische Schiebetür surrt. Ein Dutzend Kameras im Anschlag, Finger auf dem Auslöser, Blitzlicht-Attacken. Al Gore und Entourage betreten den fensterlosen Konferenzraum einer Luxemburger Bank. Eine Pressekonferenz im kühlen Nobel-Hotel-Schick. Gore geht mit strammem Schritt auf seinen Platz zu, ein Strauß bunter Mikrofone empfängt ihn. Ähnliche Bilder kennt man aus der Vergangenheit: "Vize" Gore neben US-Präsident Bill Clinton, irgendwo hinterm Weißen Haus, Richtung Hubschrauber. Sein Gesicht war schmaler, damals. Das Lächeln ist geblieben. Aber die Mission ist eine andere.Ohne Faust, ohne Zeigefinger

Die Mission ist ernst. Eine, die schwer zu verkaufen ist, aber gut verkauft werden muss. "Uns bleiben vielleicht zehn Jahre, um für entscheidende Veränderungen beim Klimaschutz zu sorgen", sagt Gore. Er spricht von zunehmenden Erdbeben in Grönland. Von Übersäuerung der Ozeane, die auch dann noch ein echtes Problem wäre, wenn eine "gute Fee die Klima-Erwärmung sofort abstellen würde". Am gleichen Abend zeigte er Dias, Bilder von Auswirkungen des Klimawandels. Gore weiß, dass man bei derlei Szenarien besser auf nüchterne Sprache setzt. Die "gute Fee" ist schließlich nicht in Sicht. Dass man weder die Faust ballt, noch den Zeigefinger ausfährt. Sonst gehen die Köpfe zu, und die Blickrichtung heißt schnell wieder: wegschauen. Früher wirkte Gore hölzern, bisweilen bieder. Heute antwortet er eloquent auf die Journalisten-Fragen. Nicht ohne Hoffnung zu verbreiten: Dass es gute Anzeichen gebe. So sei etwa die EU beim Klimaschutz auf dem richtigen Weg. Auch in den USA sieht er langsam, ganz langsam, positive Ansätze. Selbst vor China, dem kommenden Treibhausgas-König, ist ihm nicht bange. Auch dort begreife man, was auf dem Spiel steht. Gestern Hollywood, heute Luxemburg, morgen vielleicht Bangladesch. Al Gore - vom gescheiterten Präsidentschaftskandidaten zum Schlachtenbummler in Sachen Umweltschutz. "Ich hatte eine sehr anregende Unterhaltung mit Ihrem Großherzog über den Klimawandel", erzählt der 58-Jährige. Er nennt Luxemburg "das grüne Herz Europas". Gegner hat er noch: diejenigen, die ihm Doppelmoral vorwerfen, weil Familie Gore eine selbst für amerikanische Verhältnisse exorbitante Nebenkosten-Abrechnung hat. Gore fährt auch nicht mit dem Fahrrad bei seinem Gastgeber, der Dexia-Bank, vor. Aber wer demontiert, riskiert auch. Denn der Politiker ist Hoffnungsträger. Als der wohl prominenteste und einflussreichste Klima-Kämpfer: einer, der die Wirtschaftsbosse erreichen will ("mit Klimaschutz wird sich viel Geld verdienen lassen"). Der die obersten Politik-Etagen anstoßen kann, aber auch den Einzelnen erreicht. So erhielt sein Dokumentarfilm "Eine unbequeme Wahrheit" über den Klimawandel kürzlich den Oscar. Gore, die Haare nach hinten gegelt, grinst. "Schreiben Sie das Drehbuch für einen Film?", antwortet Gore einem Luxemburger Journalisten, der in Gedanken schon den künftigen US-Präsidenten vor sich gesehen hat. Erst werde er den Friedens-Nobelpreis erhalten (Gore ist nominiert), dann doch noch Präsidenten-Kandidat für die Demokraten werden, statt Barack Obama oder Hillary Clinton. Und letztlich würde er gewählt. Prophezeit der Journalist. "Ich habe nicht vor, bei den Wahlen zu kandidieren", sagt Gore derweil. "Sehr unwahrscheinlich" sei das. Was in Nicht-Politikersprache übersetzt wohl das Gegenteil von "ausgeschlossen" ist. Er habe im Moment nur eine Mission - und die ziele darauf ab, die Menschen in der ganzen Welt über die Klimakrise aufzuklären. Einem Journalisten, der ihn ob seiner Omnipräsenz als "Rockstar" sieht, entgegnet er: "Ich bin kein Rockstar. Ich bin nur ein Kerl, der mit einer Dia-Show durch die Lande zieht." Gore blickt dabei in die Zukunft. Er malt aus, wie eines Tages unsere Kinder oder Enkel über uns urteilen könnten. Ohne Pathos in der Stimme: "Sie werden entweder ungläubig oder voller Wut den Kopf schütteln. Sehen, was wir zerstört haben. Vielleicht werden sie aber auch ,danke' sagen. Dazu müssen wir allerdings die Angewohnheit überwinden, wegzuschauen" , sagt er: "Das ist unsere Wahl. Wir müssen sie jetzt treffen."

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