Grundschüler müssen sich nicht verstecken

Berlin · Die gute Botschaft des Leiters der Schulleistungsstudien, Wilfried Bos, bei der Vorstellung der neuen Bildungsstudie gestern: "Wir haben unsere hohe Position halten können." Die schlechte Nachricht: "Wir vergeuden unsere Talente."

Berlin. Deutschlands Grundschüler der vierten Klasse brauchen sich im internationalen Vergleich beim Lesen, Rechnen und in Sachkunde nicht zu verstecken. Das geht aus der in Berlin vorgestellten "IGLU-Lesestudie" und der "TIMSS-Mathematikstudie" hervor. Rund 4600 Schüler an zufällig ausgewählten Grund- und Förderschulen in allen Bundesländern machten 2011 bei den Tests mit.
Gehen die Kinder gerne zur Schule?
Die überwiegende Mehrheit ja. Und der Nachwuchs hat eine positive Einstellung zum Lesen, zur Mathematik und zum Sachunterricht. Laut Studie sind die Kinder sogar im Vergleich zu früheren Jahren motivierter und selbstbewusster geworden. Darüber hinaus lesen auch immer mehr gerne in ihrer Freizeit. Nie lesen nur noch elf Prozent.
Wirkt sich das auf die Ergebnisse der Studie aus?
Ja und nein. Auf der einen Seite sind die Leistungen der Grundschüler weiter überdurchschnittlich, im internationalen Vergleich landen sie im oberen Drittel. Deutschland liegt auf Augenhöhe mit den Niederlanden, Tschechien, Schweden und Italien. Aber hinter Hongkong, Russland, Singapur, den USA oder England. 45 Staaten nahmen an dem Vergleich teil, zehn Staaten sind besser. Vergleicht man die zwei Iglu-Erhebungen von 2001 und 2006 mit der aktuellen von 2011, so zeigt sich: Die Grundschüler konnten ihr Leistungsniveau nicht weiter verbessern. Besonders Sachtexte fallen den Kindern schwer.

Wie sieht es in Mathe und Sachkunde aus?
Auch in Mathe und Sachkunde liegen die deutschen Schüler im oberen Drittel. Ihre Leistungen haben sich im Vergleich zu 2007 kaum verändert. 13 Staaten erzielten in Mathe deutlich bessere Testleistungen als Deutschland, darunter Belgien, Finnland, England, die Niederlande und Dänemark. Vorne liegen Singapur, Korea, Taiwan und Japan. Bei den Naturwissenschaften führen Südkorea, Singapur, Finnland und Japan. Besser als Deutschland sind auch Österreich, Holland und England.

Weshalb sind deutsche Grundschüler nicht spitze?
Nach Ansicht der Experten muss dafür die individuelle Förderung weiter kräftig ausgebaut werden. Insbesondere mit Blick auf das Ganztagsangebot. Denn im internationalen Vergleich erreicht nur ein eher geringer Teil der deutschen Grundschüler das höchste Kompetenzniveau. "Wir vergeuden unsere Talente an dieser Stelle", so die Bildungsforscher. Außerdem erzielen nach wie vor Kinder aus sozial besser gestellten Familien höhere Leistungen. "Ein Kind von einem Professor oder einem Chefarzt hat eine 4,7-fache Chance zur Gymnasialempfehlung im Vergleich zu einem Facharbeiter."

Wie steht es um Schüler mit Migrationshintergrund?
Sie sind für die Experten die Gewinner. Die Studien verzeichnen sowohl beim Lesen als auch in Mathe und den Naturwissenschaften erhebliche Leistungssteigerungen bei diesen Kindern. Trotzdem ist der Abstand zu Kindern aus Familien ohne diesen Hintergrund weiter groß.

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