Guantánamo als erster Paukenschlag

Die Feierlichkeiten zur Amtseinführung des neues US-Präsidenten sind kaum beendet, da löst Barack Obama bereits ein erstes Versprechen ein: Die Verfahren im Internierungslager Guantá-namo sollen ausgesetzt werden.

Washington. "Heute nacht wird gefeiert. Morgen beginnt die Arbeit." Mit diesen Worten eröffnete US-Präsident Barack Obama am Dienstagabend den "Oberkommandierenden-Ball" in Washington - einen von zehn Bällen, die ihn und First Lady Michelle bis weit in die Nacht auf den Beinen hielten. Doch hinter den Kulissen hatten die engsten Mitarbeiter Obamas längst ganz auf "Regieren" umgeschaltet, noch bevor die letzten Champagnerflaschen geleert worden waren. Als erste offizielle Amtshandlung wurden kurz nach dem Ende der fast dreistündigen Parade durch die Innenstadt Washingtons erst einmal alle noch nicht rechtskräftigen Verfügungen blockiert, die George W. Bush in seinen letzten Tagen erlassen hatte. Obama will sie in Ruhe überprüfen lassen. Dann folgte - ebenfalls noch vor Mitternacht - eine bereits seit Tagen fertig formulierte spektakuläre Anweisung an das Verteidigungsministerium: Die dort tätigen Strafverfolger sollen umgehend eine Aussetzung aller in Guantánamo Bay laufenden Militärtribunale beantragen.

Mit diesem politischen Paukenschlag zeigt Barack Obama, dass es ihm mit der Einlösung eines seiner wichtigsten Wahlkampf-Versprechen ernst ist: Der Schließung des umstrittenen Internierungslagers. Über diplomatische Kanäle soll nun sondiert werden, welche Chancen es gibt, jenen Teil der noch 245 Inhaftierten, die mittlerweile als "harmlos" eingestuft wurden, bei anderen Nationen unterzubringen.

Bereits um 8.35 Uhr betrat Obama, nach gerade einmal fünf Stunden Schlaf, allein das "Oval Office" und verbrachte dort zehn Minuten. Dabei las er erstmals auch die Abschiedsbotschaft, die ihm George W. Bush handschriftlich in der obersten Schreibtisch-Schublade hinterlassen hatte - in einem Umschlag mit der Aufschrift "An: Nummer 44. Von: Nummer 43". Über den Wortlaut wurde gestern nichts bekannt. Um 8.45 Uhr besprach Obama mit seinem Stabschef Rahm Emanuel den Tagesablauf, 25 Minuten später kam Michelle Obama für die Fahrt zu einem Gottesdienst in der National-Kathedrale hinzu. Danach standen erste Telefonate mit politischen Führern in Nahost und ein Treffen mit seinen engsten Wirtschaftsberatern auf dem Programm - mit einer Kernfrage: Wie schnell lässt sich das Konjunkturpaket im Kongress durchsetzen, wo es noch Bedenken bei beiden Parteien gibt? Bis Mitte Februar will das Obama-Team hier Nägel mit Köpfen machen.

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