Guido Westerwelle: Keine Lösung mit Präsident Assad

Berlin · Die Münchener Sicherheitskonferenz an diesem Wochenende ist für Außenminister Guido Westerwelle ein wichtiger Termin. Denn dort wird er viele Amtskollegen treffen und mit ihnen über die aktuellen Brennpunkte Syrien, Iran und Ägypten sprechen.

Berlin. Über die Aussichten zur Lösung der Krisen im Nahen und Mittleren Osten sprach unser Korrespondent Werner Kolhoff mit dem Bundesaußenminister und FDP-Politiker.Sie waren gerade in Ägypten. Nach Ihrer Abreise kam es dort zu schweren Zwischenfällen im Stadion von Port Said. Rutscht Ägypten ins Chaos?Westerwelle: Ich bin sehr besorgt über diese jüngsten Entwicklungen in Ägypten. Wir beobachten das sehr genau und werden darauf drängen, dass die Zusagen eingehalten werden, die der Militärrat zur weiteren Demokratisierung in den Gesprächen mit mir gemacht hat. Es ist sehr wichtig, dass der Fahrplan für die Übergabe der Verantwortung in zivile Hände eingehalten wird und dass die Gründe für die jüngste Gewalt aufgeklärt werden. Wie kann man das Blutvergießen in Syrien stoppen?Guido Westerwelle: Präsident Assad muss durch internationalen Druck dazu gebracht werden, das Blutvergießen zu beenden und eine friedliche Übergabe der Verantwortung zuzulassen.Ist eine Lösung mit Assad als Präsident überhaupt noch denkbar?Westerwelle: Ich sehe nicht, dass Assad in dieser Funktion eine Zukunft hat. Ich fordere ihn auf, den Weg für einen friedlichen Übergang, für einen Dialog und eine Aussöhnung zu ermöglichen.Derzeit wird im UN-Sicherheitsrat über eine Resolution zu Syrien verhandelt, die zu einem sofortigen Ende der Gewalt aufrufen soll. Wie sind die Chancen?Westerwelle: Wir gehen derzeit zweigleisig vor. Zum einen, indem wir mit Sanktionen gegen Mitglieder des Regimes den politischen Druck erhöhen. Zum anderen, indem wir in New York daran arbeiten, dass die internationale Gemeinschaft zu einer gemeinsamen Haltung findet. Der klare und in der Sache bedrückende Bericht der Arabischen Liga im Sicherheitsrat sollte für alle ein Anlass sein, eine Resolution mitzutragen. Auch für jene, die jetzt noch zögern. Wir sind in engen Gesprächen mit allen Partnern im Sicherheitsrat.Bisher stocken die Verhandlungen. Wird es vielleicht bei der Sicherheitskonferenz in München einen Fortschritt geben?Westerwelle: Zahlreiche Außenminister werden dort sein und haben so wie auch ich bereits Gespräche miteinander vereinbart. Ich hoffe, dass die Länder, die bisher eine Resolution ablehnen, erkennen, dass wir jetzt gemeinsam handeln müssen.Sie meinen Russland und China. Sind Sie enttäuscht über das Verhalten dieser Staaten, insbesondere Russlands?Westerwelle: Wir wollen alle Partner im Sicherheitsrat davon überzeugen, dass wir den Menschen in Syrien in ihrem Freiheitsstreben jetzt eine solche Resolution schulden. Ich glaube aber auch, dass es eine Frage des Ansehens der internationalen Gemeinschaft selbst ist, hier zu einer klaren Sprache zu finden. Auch deswegen werde ich mit dem russischen Außenminister Sergej Lawrow in München die Gespräche fortsetzen und auch in einem engen Austausch mit meinem chinesischen Amtskollegen bleiben.Viele Menschen in Deutschland haben Angst vor einer Ölkrise wegen der Zuspitzung der Situation um den Iran. Wie realistisch ist diese Sorge?Westerwelle: Die Sanktionen gegen den Iran fallen niemandem leicht, aber sie sind notwendig. Denn eine nukleare Bewaffnung des Irans ist nicht nur gefährlich für Israel und die Sicherheit der Region, sie gefährdet auch die Sicherheitsarchitektur weltweit. Wir wollen die Finanzquellen des iranischen Atomprogramms austrocknen. Deswegen haben wir die Sanktionen im Energiebereich und im Finanzsektor beschlossen. Gleichzeitig bleibt unsere Tür für substantielle Gespräche offen. Der Iran hat es in der Hand, jederzeit die Sanktionen zu beenden, indem er seinen internationalen Verpflichtungen gerecht wird und nachprüfbar auf jede Option einer nuklearen Bewaffnung verzichtet.Der Iran will im Gegenzug die Straße von Hormuz schließen und so die Öllieferungen aller Golfstaaten nach Europa unterbinden. Wie ernst nehmen Sie das?Westerwelle: Wir haben dem Iran unmissverständlich deutlich gemacht, dass solche Drohungen unangemessen sind. Ich appelliere an die iranische Führung, diese Eskalation der Worte zu unterlassen.Werden die Sanktionen überhaupt wirken?Westerwelle: Sie zeigen bereits Wirkung. Die Menschen im Iran stehen ja längst nicht alle und nicht in allem hinter ihrer Führung. Viele kritisieren die schlechte Wirtschaftslage, und sie wissen, dass das etwas mit der internationalen Isolierung ihres Landes zu tun hat. Und diese Isolierung schreitet durch die vielen ungeklärten Fragen zum iranischen Atomprogramm fort. Je mehr Länder sich weltweit an den Sanktionen beteiligen, umso erfolgversprechender sind sie.Hat die Bundesregierung Vorsorge getroffen, dass es nicht zu drastischen Öl-Ausfällen kommt?Westerwelle: Wir sind natürlich im Gespräch mit Öl-Lieferländern, was die Frage des Ersatzes angeht. Noch wichtiger ist, dass auch die anderen Öl-Importländer die Sanktionen nicht unterlaufen und ihre Importe aus dem Iran nicht erhöhen. Hier gibt es durchaus ermutigende Signale.Im Nahen Osten stocken die Verhandlungen zwischen Israelis und Palästinensern. Sie waren Anfang der Woche dort. Sind Sie optimistischer oder pessimistischer zurückgekehrt?Westerwelle: Ich habe bei beiden Seiten darum geworben, dass sie die Gespräche fortsetzen, die das sogenannte Nahost-Quartett bei der Vollversammlung der Vereinten Nationen im letzten Jahr aufs Gleis gesetzt hat. Es ist eine unglaublich schwierige Region. Dazu kommt jetzt der Umbruch in den arabischen Ländern. Das ist keine Frage von Optimismus oder Pessimismus, hier geht es nur um Realismus. wkExtra

Israel könnte nach einem Bericht der Washington Post schon im Frühjahr einen militärischen Angriff auf iranische Atomanlagen starten. US-Verteidigungsminister Leon Panetta gehe davon aus, dass es eine "starke Wahrscheinlichkeit" dafür im April, Mai oder Juni gebe, berichtet das Blatt ohne konkrete Quelle online. US-Medien berichten, dass Israel deshalb frühzeitig gegen die Anreicherung von Uran im Iran vorgehen wolle, um nicht zu sehr von der Militärmacht der USA abhängig zu sein. Eine Entscheidung sei aber noch nicht gefallen. Israel gehe davon aus, dass ein begrenzter Militäreinsatz möglich sei, rechne aber auch mit Vergeltungsschlägen. dpa

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