Gute Schulden, böse Schulden

Die Landesregierung sieht bei dem Vorhaben, die kommunalen Finanzen nachhaltig zu verbessern, sich selbst, den Bund sowie die Städte und Gemeinden in der Pflicht. Folglich will sie auf allen drei Ebenen aktiv werden. Umstrittener Knackpunkt: Orts- und Verbandsgemeinden sollen sich solidarisch zeigen und auf Geld verzichten.

Mainz/Trier. Rote Zahlen überall: Der Bund wird von riesigen Schulden belastet, Länder und Kommunen ebenfalls. Was kann da ein Hilfsplan für klamme Städte und Gemeinden bewirken, wie ihn am Dienstag die Landesregierung beschlossen hat? Ministerpräsident Kurt Beck (SPD) verteidigt die Reform-Agenda, auch wenn das Land nur 17 Millionen Euro mehr zur Verfügung stellt und ansonsten auf die Solidarität der Kommunen untereinander und verstärkte Sparbemühungen setzt: "Wir geben einen Zipfel des Tischtuchs, das aber insgesamt zu kurz ist." Später, als die Kameras und Mikrofone abgestellt sind, sagt der Regierungschef noch: "Wir sind doch auch schon ausgequetscht wie eine Zitrone."

In seiner Reform-Agenda setzt das Land auf drei Ebenen an:

Bund: Der Ministerpräsident will sich im Bund für eine modernisierte Gewerbesteuer und die Erhöhung des kommunalen Anteils an der Umsatzsteuer einsetzen. Er warnt "dringend" davor, die Gewerbesteuer abzuschaffen. Dies sei "eine Fehlorientierung ersten Ranges". Vor allem pocht Beck darauf, dass der Bund künftig Kosten für Sozialleistungen, zum Beispiel bei der Jugendhilfe, "dynamisch kompensiert". Bei den Soziallasten sieht der Regierungschef die Hauptursache für die dramatische kommunale Verschuldung.

Land: Neben einer kostenlosen Beratung beim Kreditmanagement durch Experten des Finanzministeriums in einer zentralen Finanzagentur (Ziel: günstigere Zinsen) wird den Kommunen angeboten, das Risiko steigender Zinsen zu begrenzen. Das Land wird über maximal eine Milliarde Euro eine Versicherung mit vierjähriger Laufzeit abschließen (Kosten: acht Millionen Euro), die in Aktion tritt, wenn die Zinsen über 3,5 Prozent steigen sollten. Zusätzlich wird Kommunen bis zum 31. Dezember 2012 ermöglicht, kurzfristige Kassenkredite über bis zu zehn Jahre laufen zu lassen.

Kommunen: Die Landesregierung erwartet von hoch verschuldeten Städten und Gemeinden, dass sie ihre Haushalte auch selbst konsolidieren. Die Sätze für die Grundsteuern A und B und die Gewerbesteuer müssten notfalls angehoben werden, fordert Innenminister Karl Peter Bruch (SPD). Er spricht von "guten" Schulden und "bösen" Schulden. Erstere seien durch im Bund beschlossene Gesetze verursacht, deren Kosten kreisfreie Städte und Kreise tragen müssten; letztere seien hausgemacht, etwa durch Baubeschlüsse für Bürgerhäuser oder ähnliches. Wenn eine umfassende Reform des kommunalen Finanzausgleichs erfolge, sei dies zu bedenken und "die Unterscheidung das größte Problem".

Bereits kurzfristig plant die Landesregierung Eingriffe in das Fördersystem. Orts- und Verbandsgemeinden sollen jährlich 40 Millionen Euro weniger Zuwendungen erhalten, diese stattdessen an Städte und Kreise fließen. "Ein solcher Solidarbeitrag ist notwendig, denn nur so kann langfristig der Schuldenabbau der gefährlichen Kassenkredite der Kommunen gelingen", sagt Finanzminister Carsten Kühl (SPD). Die Gemeinden würden nicht zwingend stärker belastet, denn es werde später sicherlich die von ihnen zu zahlende Umlage an die Kreise sinken.

Die Landesregierung bereitet auch eine umfassende Reform des kommunalen Finanzausgleichs vor. Ziel: Abtragung der aufgelaufenen Alt-Schulden der Kommunen. Ein wissenschaftlicher Gutachter soll ab Sommer prüfen, in welchem Umfang das Land Entschuldungshilfen leisten kann. Innenminister Bruch bringt den Gedanken ins Spiel, dass eine noch zu gründende Finanzagentur einen bestimmten Anteil der kommunalen Kassenkredite übernehmen könne und zur Entschuldung mit den Städten und Gemeinden Sparauflagen vereinbare. Dazu sei die Zustimmung der drei kommunalen Spitzenverbände erforderlich.

Die Opposition im Landtag kritisiert die Reform-Agenda. CDU-Chef Christian Baldauf bezeichnet sie als "Mogelpackung auf Kosten der kommunalen Familie", bei der "von der rechten in die linke Tasche" gewirtschaftet werde. Es müsse "mit originärem Landesgeld" den bedrängten Städten, Gemeinden und Landkreisen geholfen werden.

Thomas Auler (FDP) spricht von einem "Verschiebebahnhof zulasten der Ortsgemeinden". Die Liberalen seien dagegen, "diejenigen zu bestrafen, die vernünftig mit ihren Haushalten umgegangen sind". Auler mahnt, eine große Gemeindefinanzreform sei möglichst schnell notwendig "und nicht erst in ferner Zukunft".

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