Hackerangriff auf Macrons Team - Hatte er ein politisches Motiv?

Paris · Wenige Stunden vor Ende des Wahlkampfs ist das Team von Emmanuel Macron Ziel einer „massiven und koordinierten Hackerattacke“ geworden. Ein Experte spricht von einem politischen Motiv.

Am Freitagabend um 20.35 Uhr erlebte der an Überraschungen so reiche französische Präsidentschaftswahlkampf eine letzte schmutzige Wendung: Im Internet tauchten tausende Seiten aus dem Lager des sozialliberalen Kandidaten Emmanuel Macron auf. Die Dokumente stammten von einer Hackerattacke auf das Wahlkampteam des 39-Jährigen. Führungsmitglieder des Front National von Macrons Rivalin Marine Le Pen griffen die Daten schnell auf und verbreiteten sie weiter. Das Ganze passierte nur gut drei Stunden, bevor die traditionelle Schweigepflicht der Kandidaten begann, die dann nicht mehr auf solche Ereignisse reagieren konnten. "Bei einem Angriff auf diejenigen, die dem Sieg am nächsten sind, handelt es sich vor allem um ein politisches Motiv", sagte der Spezialist für Cybersicherheit, Nicolas Arpagian, der Zeitung "Libération".

Das Team des Favoriten Macron sprach von "einem massiven und koordinierten Hackerangriff". Unter den neun Gigabyte an Dokumenten waren E-Mails, Fotos und Rechnungen, die allerdings nach ersten Informationen kaum belastendes Material gegen den Kandidaten der Bewegung En Marche enthielten. Gezielt hatten Hacker bereits vor Wochen die privaten und professionellen E-Mail-Konten von mehreren En-Marche-Verantwortlichen geknackt, wie die Bewegung am Freitagabend mitteilte. Das Forum 4chan stellte die Informationen als Erstes ins Netz. Es hatte bereits am Mittwochabend Informationen über ein mutmaßliches Konto Macrons auf den Bahamas verbreitet. Ein Gerücht, das seine Rivalin Marine Le Pen noch in der Fernsehdebatte streute. Macron dementierte und erstattete Anzeige.

Wahlbeteiligung niedriger als vor zwei Wochen

Am Freitagabend griff zunächst Jack Posobiec, ein begeisterter Anhänger von US-Präsident Donald Trump, im Kurznachrichtendienst Twitter die "MacronLeaks" auf, bevor dann auch Wikileaks und Führungsmitglieder des FN die Informationen weiterleiteten. FN-Vize Florian Philippot reagierte um 23.40 Uhr, 20 Minuten vor dem offiziellen Wahlkampfende. Der Europaabgeordnete unterstellte, dass "MacronLeaks" Dinge über den Kandidaten als Licht bringe, die die Medien bisher zurückgehalten hätten. Belege dafür fehlten ihm allerdings völlig. Le Pen lag in letzten Umfragen mit 38 zu 62 Prozent deutlich hinter Macron. Die FN-Chefin hatte in der einzigen Fernsehdebatte vor der Stichwahl durch einen aggressiven Auftritt an Zustimmung verloren. In der ersten Runde hatte die Tochter von Jean-Marie Le Pen mit 7,6 Millionen Stimmen das beste Ergebnis für ihre Partei überhaupt erzielt. Sie kam damit auf 21,3 Prozent, Macron auf 24,0 Prozent.

Die beiden Kandidaten gingen am Sonntagvormittag kurz nacheinander zur Wahl. Der Gründer von En Marche gab im noblen Badeort Le Touquet seine Stimme ab, wo seine Frau Brigitte ein Haus hat. Le Pen wählte in ihrer politischen Wahlheimat Hénin-Beaumont, einer ehemaligen Bergarbeiterstadt in Nordfrankreich, die seit den Kommunalwahlen 2014 von einem FN-Bürgermeister regiert wird. Die Wahlbeteiligung lag um 17 Uhr bei 65,3 Prozent und damit deutlich unter der vom 23. April. Damals waren zum selben Zeitpunkt 69,4 Prozent der insgesamt 47 Millionen Wahlberechtigten zu den Urnen gegangen. Insgesamt rechnete das Meinungsforschungsinstitut Ifop mit einer Beteiligung von 75 Prozent - drei Prozentpunkte weniger als in der ersten Runde und fünf Prozentpunkte unter dem Wert von 2012. Vor allem Anhänger des Linkspopulisten Jean-Luc Mélenchon hatten zum Boykott des zweiten Durchgangs aufgerufen. "Weder blinder Liberalismus noch Hass" lautete einer der Slogans der Bewegung "Ohne mich am 7. Mai", die sich auf Twitter verbreitete.

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