Interview Gustav Horn „Handelskrieg kann Wachstum zerstören“

Berlin · Der Chef des Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung meint: Konkrete Folgen für Deutschland noch nicht absehbar.

 Hafenarbeiter beobachten im Hafen von Qingdao, wie ein Containerschiff der China Shipping Line beladen wird.

Hafenarbeiter beobachten im Hafen von Qingdao, wie ein Containerschiff der China Shipping Line beladen wird.

Foto: dpa/Uncredited

Der Handelsstreit zwischen den USA und China wird auch in der deutschen Wirtschaft mit Sorge gesehen. Ist die gute Konjunktur in Gefahr? Unser Berliner Korrespondent Stefan Vetter sprach darüber mit dem Chef des gewerkschaftsnahen Instituts für Makroökonomie und Konjunkturforschung (IMK), Gustav Horn:

Herr Horn, ebenso wie andere Institute rechnet auch das IMK für 2018 mit einem kräftigen Wachstum in Deutschland. Wird der global heraufziehende Handelskrieg da schlicht ignoriert?

GUSTAV HORN Nein. Wir rechnen mit einem Wachstum von 2,4 in diesem und 2,2 Prozent im nächsten Jahr. Das sind zweifellos gute Zahlen. Und darin ist auch schon eingepreist, dass der von den USA angezettelte Handelskrieg kaum einen Effekt für das deutsche Wachstum haben wird.

Ihren Optimismus in allen Ehren. Aber Deutschland ist bekanntlich eine Exportnation. Wenn Peking und Washington sich mit Strafzöllen überziehen, dann ist das doch am Ende auch Gift für deutsche Unternehmen.

HORN Wirtschaftsforscher sind gehalten, eine Prognose abzugeben, die sie für die wahrscheinlichste halten. Dass dieser Handelskrieg unser Wachstum sogar potenziell zerstören könnte, will ich gar nicht bestreiten. Nur, wir wissen noch gar nicht, welche Wirkungen dieser Handelskrieg entfaltet. Wir wissen nur, dass er begonnen hat – durch eine Spirale wechselseitiger Androhungen von Strafzöllen.

Die USA haben angedeutet, dass diese Drohung auch nur eine Verhandlungsstrategie gegenüber Peking sein könnte. Wie glaubhaft ist das?

HORN Da ist sicher etwas dran. Trump kann jedenfalls kein Interesse haben, den Welthandel zum Erliegen zu bringen. Denn es gibt auch in den USA zahlreiche exportorientierte Unternehmen, die dadurch massiven Schaden nehmen würden. Was Trump aber will, ist, bessere Deals herauszuschlagen, also die Handelsgewichte zugunsten der USA zu verschieben. Die angedrohten Strafzölle sind sein Druckmittel dafür.

Trump will vor allem das hohe Handelsbilanzdefizit der USA abbauen, das auch mit Deutschland besteht. Haben Sie dafür Verständnis?

HORN Dafür habe ich volles Verständnis. Denn Handelsbilanzdefizite sind genauso wie permanente Überschüsse eine ungute Entwicklung, die in eine Schuldenkrise münden kann. Oder, was im Falle der USA wahrscheinlicher ist, in heftige Turbulenzen beim Dollar-Wechselkurs.

Mit welcher Konsequenz?

HORN Am Ende würden dadurch auch unsere eigenen Exporte schwer belastet. Insofern muss Deutschland ebenfalls daran interessiert sein, seine Handelsbilanz in Ordnung zu bringen. Nicht, indem wir weniger exportieren, sondern, indem wir mehr importieren, also mit einer höheren Binnennachfrage reagieren. Und was die USA angeht, so wäre zum Beispiel ein schwächerer Dollar deutlich effektiver für den Abbau ihres Handelsdefizits als Strafzölle.

China setzt auf eine aggressive Handelspolitik, indem es zum Beispiel ausländische Unternehmen zu Joint-Ventures zwingt und Technologieklau betreibt. Sollten die USA und die EU da nicht besser an einem Strang ziehen?

HORN China ist kein Unschuldslamm. Das stimmt. Ein Zusammenschluss Europa-USA wäre da sicher strategisch wichtig. Nur droht Trump eben auch der EU mit Strafzöllen. Insofern hat sich das erledigt.

Hat die WTO eigentlich noch eine Zukunft, wenn Trump nur noch auf bilaterale Deals setzt?

HORN Gerade jetzt müsste man sich auf multilateraler Ebene zusammensetzen, um faire Bedingungen aushandeln. Genau dafür ist die Welthandelsorganisation WTO auch da. Trumps Kurs bedeutet in letzter Konsequenz ein Ende der WTO. Und darunter würde zweifellos nicht zuletzt Deutschland leiden.

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