Harmonie in Gelb

Köln. Die FDP will ihr Profil als Bürgerrechtspartei schärfen. Beim Bundesparteitag in Köln setzten sich die Freidemokraten in der Innen- und Rechtspolitik klar von der rot-grünen Bundesregierung, aber auch vom potenziellen Koalitionspartner CDU/CSU ab.

Wolfgang Gerhardt lässt sich feiern wie ein Popstar. Immer wieder reckt er die Hände in die Höhe. Seine knapp einstündige Rede wird von den Parteitagsdelegierten in der Kölner Messehalle mit rhythmischem Applaus bedacht. Am Tag zuvor stand Guido Westerwelle an gleicher Stelle. Und auch ihn umspülte eine Woge der Begeisterung. Schließlich zog der Parteichef den Fraktionsvorsitzenden demonstrativ aufs Podium, um zu signalisieren, dass man ein Tandem sei. Nun variiert Gerhardt den Schulterschluss und tritt zwischen Westerwelle und den neuen Generalsekretär Dirk Niebel. Seht her, wie sind sogar ein Triumvirat, soll das wohl heißen. Spekulationen über Rollenverteilung

Über die Rollenverteilung zwischen Westerwelle und Gerhardt war im Vorfeld dieses Parteitages viel spekuliert worden. Auf dem liberalen Bundestreffen vor einem Jahr hatte sich Gerhardt als Hüter liberaler Grundsätze in die Herzen der Delegierten geredet - und damit Westerwelles Defizite bloßgelegt. Vor ein paar Wochen schien dieses Konkurrenzverhältnis erneut aufzuflammen, als Gerhardt am Vorsitzenden vorbei ein "Regierungsprogramm" veröffentlichte. Nicht, dass Gerhardt wieder den FDP-Chefsessel einnehmen will, aus dem er vor vier Jahren unsanft vertrieben wurde. Insider bescheinigen dem Parteisoldaten gegenüber Westerwelle einen "Grundstock an Loyalität". Aber ohne Gerhardt läuft eben auch nichts mehr in der FDP. Er ist der personifizierte Ausdruck der wieder entdeckten liberalen Ernsthaftigkeit. Seine Erfüllung findet Gerhardt auf dem Feld der Außenpolitik, die auch schon Westerwelle für sich reklamiert hatte. So klang Gerhardts jüngste Parteitagsrede wie eine persönliche Empfehlung für den künftigen Hausherren im Auswärtigen Amt. Fast drei Jahrzehnte lang haben die Liberalen dort den Chef gestellt. Sie hießen Scheel, Genscher und Kinkel. Dass diese Ära ausgerechnet durch einen Grünen beendet wurde, empfinden die Liberalen als besondere Schmach. Gerhardt sparte dann auch nicht mit Wortgewalt gegen Joschka Fischer. Seine Fehler in der Visa-Affäre könnten "klarer" nicht sein. Doch die Regeln für Konsequenzen aus der politischen Verantwortung seien bei Fischer außer Kraft gesetzt. "Jeder andere wäre aus dem Amt gejagt worden", empörte sich Gerhardt unter dem tosenden Applaus der Delegierten. Gerhardt geißelte die rot-grünen "Sirenenklänge antiamerikanischer Ausrichtung", kritisierte die "autoritäre Entwicklung" in Russland ("Es ist doch absurd zu sagen, Putin sei ein lupenreiner Demokrat") und meldete Vorbehalte gegen einen EU-Beitritt der Türkei an. Für eine Vollmitgliedschaft Ankaras müsse auch die "Aufnahmefähigkeit" der Gemeinschaft berücksichtigt werden. Damit ging Gerhardt auf politische Tuchfühlung zur Union. Zugleich beklagte er, dass immer neue internationale Bundeswehraktionen ohne Aussicht auf politische Lösungen beschlossen würden. "Allein die Stationierung von Soldaten ist noch keine Reifeprüfung deutscher Außenpolitik", betonte Gerhardt. Ebenso wie Westerwelle ging Gerhardt mit den Gewerkschaften ins Gericht. Sie seien "genau so wenig sakrosant" wie die Arbeitgeberverbände. Der Flächentarif sei "überholt".

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