Harmonisches Gezänk in der rot-grünen Ehe

Mainz · Bei vielen Themen wie dem Modellversuch Sitzenbleiben oder dem Ausbau der Kinderbetreuung ist sich die rot-grüne Koalition in Mainz einig. Immer wieder knirscht es aber auch im Gebälk. Speziell bei der Verkehrspolitik.

Mainz. Es kommt selten vor, dass ein Abgeordneter des rheinland-pfälzischen Landtags öffentlich Abbitte dafür leistet, Unruhe gestiftet und für Ärger gesorgt zu haben. Fred Konrad bildet da eine Ausnahme. Am Donnerstag räumt der Grüne im Parlament ein, in Bezug auf den Flughafen Zweibrücken die Absprache zwischen der SPD und seiner Fraktion missverstanden zu haben.
Konrad befand sich allerdings zuvor nicht allein auf weiter Flur. Auch Grünen-Fraktionschef Daniel Köbler hatte, bewusst oder unbewusst, den Eindruck erweckt, dass schon 2014 kein Geld des Landes mehr an den Flughafen fließen solle - als Bedingung dafür, dass im Nachtragshaushalt 120 Millionen Euro für den Flughafen Hahn bereitgestellt werden. Am Ende ist alles ganz anders. Plötzlich heißt es, selbstverständlich werde Zweibrücken solange subventioniert, wie es notwendig sei. Infrastrukturminister Roger Lewentz (SPD) stellt das im Landtag klar.
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Diese kleine Episode wirft ein bezeichnendes Licht auf die Befindlichkeiten in der Koalition. Während der dreitägigen Plenarsitzung werden zuhauf Themen debattiert, bei denen Rot-Grün im Schulterschluss agiert: Es gibt gemeinsame Anträge zur Absenkung des Wahlalters auf 16 Jahre, gegen die Privatisierung der Wasserversorgung oder für eine Reform der geringfügigen Beschäftigung.
Natürlich verteidigen beide Fraktionen auch die Notwendigkeit des Nachtragshaushalts und schmettern CDU-Anträge ab.
Sobald es jedoch um Verkehr und Infrastrukturpolitik geht, enden die Gemeinsamkeiten. Dann wird gefeilscht und gerungen, um ein zumindest halbwegs passables Ergebnis zu zimmern. Es ist ein harmonisches Gezänk wie zwischen zwei Ehepartnern, die sich zu Kompromissen zusammenraufen müssen.
Die Flughäfen Hahn und Zweibrücken sind Musterbeispiele dafür. In beiden Fällen fließt (viel) Geld des Landes, was den Grünen ein Dorn im Auge ist. Sie lehnen die Billigfliegerei ab, deren Boomzeit vorbei sei. Sie hätten zum Beispiel auch am Flugplatz Bitburg lieber Gewerbeansiedlungen und einen Solarpark. Die SPD hingegen versucht, Verständnis dafür zu wecken, dass Tausende Arbeitsplätze im Hunsrück und in der Pfalz auf dem Spiel stehen, dass man die Beschäftigten nicht im Regen stehen lassen dürfe. Bislang gelingt es den Sozialdemokraten, ihren Koalitionspartner zum Einlenken zu bewegen. Der erkauft sich das allerdings mit finanziellen Zugeständnissen an anderer Stelle.
So darf die grüne Familienministerin Irene Alt damit werben, dass 56,6 Millionen Euro zusätzlich für den Ausbau der Kinderbetreuung und acht Millionen für den Rechtsanspruch von Asylbewerbern fließen. Was durchaus auch im Sinne der SPD ist. Bei weiteren heiklen Zwistigkeiten kommt es erst noch zum Schwur. Spätestens im Mai, das hat Innenstaatssekretär Jürgen Häfner angekündigt, will das Land die Liste jener Projekte aus Rheinland-Pfalz vorlegen, die für den Bundesverkehrswegeplan angemeldet werden. Die CDU, die Kammern und Unternehmer pochen vehement darauf, dass der A-1-Lückenschluss in der Eifel dabei ist.
Umstrittener A-1-Lückenschluss


Die Opposition insistiert ferner, dass der vierspurige Ausbau der B 10 in der Pfalz nötig sei.
Speziell in Sachen Lückenschluss ringt seit längerem intern eine Verhandlungsrunde, die von den verkehrspolitischen Sprecherinnen Astrid Schmitt (SPD) und Jutta Blatzheim-Roegler (Grüne) geführt wird. Letztere, so hört man, fürchtet im Fall eines Plazets massive Kritik in ihrer Heimat, die sie schon durch die Zustimmung zum Weiterbau des Hochmoselübergangs erdulden muss.
Im Koalitionsvertrag haben die Grünen durchgesetzt, dass grundsätzlich keine Landesmittel mehr für den Bau neuer Straßen fließen, sondern dass das Geld in den Erhalt und die Sanierung gesteckt wird. Den A-1-Lückenschluss würde allerdings der Bund finanzieren.
Regelrecht begeistert sind die Grünen dem Vernehmen nach darüber, wie ihnen die neue Ministerpräsidentin Malu Dreyer begegnet. Schon bei Vorgänger Kurt Beck schätzten sie dessen Verhandlungsführung auf Augenhöhe. Beck habe aber gerne in langen Monologen seinen Standpunkt vertreten, mitunter mit der Faust auf den Tisch gehauen. Dreyer höre lieber sehr genau zu, greife Argumente besser auf. Das Bild vom Koch (SPD) und Kellner (Grüne), wie es früher hin und wieder bemüht wurde, ist anscheinend längst verblasst.
Letztlich mag das freundschaftliche Miteinander hilfreich sein, um die Statik der Koalition zu bewahren. Gleichwohl kommt Rot-Grün in den strittigen Verkehrsfragen um Entscheidungen nicht herum, die für einen der Partner schmerzlich sein werden.

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