Hartz-IV-Familien sollen leer ausgehen

Berlin · Neuer Ärger beim geplanten Betreuungsgeld: Eltern mit Anspruch auf Hartz IV sollen nicht von der staatlichen Zuwendung profitieren. Die Opposition sieht darin eine schreiende soziale Ungerechtigkeit. Dabei ist die Anrechnung familienpolitischer Leistungen auf den Regelsatz der Bedürftigen längst gängige Praxis.

Berlin. Politisch betrachtet handelt es sich um ein weiteres Friedensangebot für die Kritiker in den Regierungsparteien. Eines ihrer Argumente lautete immer, wegen des Betreuungsgeldes von zunächst 100 Euro würden sich vor allem ärmere Familien dafür entscheiden, ihr Kind von einer Krippe fernzuhalten, obwohl gerade diese Kinder besonders davon profitierten. Dem wäre mit der Anrechnung des Betreuungsgeldes auf den Hartz-IV-Regelsatz zumindest die Spitze genommen.
Bereits im vergangenen November, als die Führungsleute der Koalition die umstrittene Einführung des Betreuungsgeldes noch einmal schriftlich bekräftigten, durfte man allerdings davon ausgehen, dass Langzeitarbeitslose mit Kindern leer ausgehen würden. "Das Betreuungsgeld muss angerechnet werden", bekräftigte jetzt auch CSU-Landesgruppenchefin Gerda Hasselfeldt in Berlin. Der Grund liegt in der deutschen Sozialgesetzgebung.
Demnach ist Hartz IV keine Lohnersatzleistung, sondern ein staatlich garantierter Geldbetrag zur Sicherung des Existenzminimums. Zusätzliche Einkünfte werden deshalb grundsätzlich mit dieser Grundsicherung verrechnet. Ausnahmen können Entschädigungsleistungen wie Opfer-Renten oder staatliche Zuwendungen aufgrund von Naturkatastrophen sein.

Die Praxis der Anrechnung


Beim Elterngeld und beim Kindergeld greift jedoch die komplette Anrechnung, weil es sich hier um lohnbezogene Leistungen handelt. Das Elterngeld soll einen Teil des Verdienstsausfalls während der Erziehungsphase wettmachen. Das Kindergeld ist eine Leistung, die sich aus dem Kinderfreibetrag im Steuerrecht ableitet.
In der Praxis funktioniert es so, dass Hartz-IV-Empfänger das Elterngeld und das Kindergeld zwar erhalten, aber ihr Regelsatz um die gleichen Beträge gekürzt wird, sie also nicht mehr im Portemonnaie haben. Nach diesem Muster soll offenbar auch beim Betreuungsgeld verfahren werden.
Die Verrechnung von zusätzlichen Leistungen war allerdings immer wieder politisch umstritten. So blieb zum Beispiel das Elterngeld bis Ende 2010 für Hartz-IV-Empfänger anrechnungsfrei. Danach kassierte die Bundesregierung diese Regelung im Rahmen ihres Sparpakets ein.

Bei der Anrechenbarkeit des Betreuungsgeldes kommt es Insidern zufolge auf juristisch wasserdichte Formulierungen im noch ausstehenden Gesetzentwurf an. Wäre darin zum Beispiel von einer Anerkennung der Erziehungsleistung daheim die Rede, hätten darauf auch Hartz-IV-Berechtigte einen Anspruch. Verstünde sich die Leistung nur als Beitrag zur Existenzsicherung, wäre das nicht der Fall. Denn dafür springt ja die Grundsicherung bei Langzeitarbeitslosen ein.
Die Opposition nutzte die neue Facette in dem Dauerstreit gestern zu einer weiteren Kampfansage gegen das Betreuungsgeld: Für SPD-Generalsekretärin Andrea Nahles war die geplante Verrechnung der "letzte Beweis" für die Überflüssigkeit dieses Vorhabens. Eine arbeitslose Mutter ohne Kita-Platz gehe leer aus, derweil eine "gut situierte Managerfrau" das Betreuungsgeld bekomme, schimpfte Nahles.
Extra

SPD-Chef Sigmar Gabriel hat angekündigt, dass die SPD im Fall einer Regierungsübernahme 2013 das Betreuungsgeld wieder abschaffen wird. "Natürlich wird eine rot-grüne Bundesregierung den Unsinn mit dem Betreuungsgeld zurücknehmen", sagte Gabriel. "Wir brauchen mehr Geld für Bildung und Betreuung", so Gabriel. Rot-Grün werde deshalb "in mehr und bessere Kita-Plätze und in Ganztagsschulen investieren - und das Geld nicht für das unsinnige Betreuungsgeld verplempern." dpa

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