Hauen und Stechen

BERLIN. Bei der Suche nach dem Schuldigen für die Lage der SPD ist nun General Olaf Scholz ins Visier geraten. Die Genossen lassen Luft ab.

Olaf Scholz kennt das. Gerade mal ein halbes Jahr ist erGeneralsekretär der SPD, sechs Monate also, in denen der44-Jährige schon einiges an Gegenwind aushalten musste. Er lege"napoleonisches Gehabe" an den Tag, nörgelten beispielsweiseGenossen gleich zu Beginn seiner Amtszeit. Kurze Zeit später dannerregte der Hanseate sogar den Unwillen des Kanzlers, als er die"Lufthoheit über den Kinderbetten" ausrief. Und während alle WeltTatkraft der Regierung einforderte, befand Scholz, weitereReformen seien unnötig. Für einige Sozialdemokraten ziemlichviele Ärgernisse in einem halben Jahr. In der Partei addieren siedie katastrophalen Umfrageergebnisse und die Wahldebakel inHessen und Niedersachsen gleich noch dazu. Mag sein, dass beimHauen und Stechen um den Kurs der SPD der Unmut auch deswegen nunso heftig über den General hereingebrochen ist. DieSozialdemokraten sind auf der Suche nach Schuldigen in den oberenEtagen. Nach denen, die nicht bemerkt haben, dass es in der altenTante SPD brodelt. Die Lage katastrophal falsch eingeschätzt

Erst geriet Schröder-Intimus Franz Müntefering ins Schussfeld, dem enge Wegbegleiter attestieren, er habe die Lage in der Fraktion "katastrophal falsch eingeschätzt". Was die "SPD-Rebellen" planten, lief an dem Sauerländer nämlich schlichtweg vorbei. Dem Gesetz der Rangordnung folgend ist nun General Olaf Scholz an der Reihe. Mit ihm wird öffentlich kurzer Prozess gemacht - und mehr Genossen schweigen auffällig als dass sie ihm den Rücken stärken. Da muss sich einiges aufgestaut haben, würden Psychologen sagen. "Scholz kriegt nichts auf die Reihe", wettert Bundestagsvizepräsidentin Susanne Kastner (SPD) unverhohlen gegen den Chef des Willy-Brand-Hauses. Ein Generalsekretär müsse wissen, was in der Partei los ist. In den Landesverbänden wächst ebenso das Murren gegen den Berliner Strategen. Scholz habe den Kanzler wohl falsch beraten, kritisiert die hessische SPD-Chefin Andrea Ypsilanti. Dass Schröder auf dem Sonderparteitag die Vertrauensfrage stelle, "zeugt von keinem guten Parteimanagement". In Regierungskreisen reagiert man auf die Vorwürfe nach dem Prinzip Augen zu und durch: Scholz mache "ausgezeichnete Arbeit", kontert Vize-Regierungssprecher Thomas Steg wenig überzeugend.

Schon kursieren Gerüchte, der General könnte gekippt werden. Aus SPD-Kreisen heißt es allerdings, es fehle die personelle Alternative. Zumal sich an den Streitpunkten der Reformagenda "2010" nichts ändere. Bleibt die Frage, warum die Parteioberen die Stimmung unter den Genossen so dramatisch falsch eingeschätzt haben. "Sie dachten, es läuft wie immer", sagt einer. "Die üblichen Verdächtigen werden meckern, sich aber einfangen lassen."

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