Haus, Kind, Kanarienvogel

TRIER. Familie steht in Deutschland hoch im Kurs. Kinder gelten für viele als Bereicherung des eigenen Lebens. In der Serie "Kinder? Kinder!" stellt der TV in den nächsten Wochen Familien vor, die mit oder ohne Kinder ihr Glückgefunden haben.

Studien sind eine Sache, die Realität eine andere: Befragt man die Deutschen zum Thema Familie, dann heißt es in allen Umfragen, dass die eigene Familie als wichtiger und zentraler Lebensbereich geschätzt und Kinder zu haben als Bereicherung betrachtet wird. "Für die meisten jungen Frauen und Männer gehören Familie, verlässliche Partnerschaft und eigene Kinder zu einem gelinden Leben dazu", heißt es etwa in einem von der Bertelsmann-Stiftung und dem Bundes-Familienministerium initiierten Leitbild für die Familie. Frauen zwischen 16 und 44 Jahren wünschen sie sich im Schnitt 1,78 Kinder - laut Statistik. Doch Wunsch und Wirklichkeit klaffen weit auseinander, denn die Geburtenrate sinkt trotz des Bekenntnisses zu Kindern. "Kinder ja, aber ohne deswegen den Job aufzugeben", sagen sich viele Frauen. Die immer wieder von allen Seiten beklagte Unvereinbarkeit von Beruf und Familie steht dem Wunsch nach eigenen Kinder entgegen. Häufigster Grund, sich gegen Nachwuchs zu entscheiden: die Angst vor zu hohen Kosten, die Angst, sich keine Kinder leisten zu können. Die Geburtenrate liegt derzeit bei 1,3 Kindern pro Frau. Mehr als zwei Kinder wären aber notwendig, um die Bevölkerungszahl stabil zu halten. In Deutschland definieren sich Familien nichts destotroz in erster Linie über Kinder. Eine glückliche Familie ist für die meisten Eltern das Wichtigste im Leben. Weder Beruf noch Hobbys oder Freunde haben eine ähnlich hohe Bedeutung, fand das Institut für Demoskopie in Allensbach heraus. Und alle, die Kinder haben, haben darin auch ihr Glück gefunden: Trotz der durch Kinder verursachten materiellen Einschränkungen sind die meisten Eltern sehr (30 Prozent) oder einigermaßen (44) zufrieden mit ihrem Leben. Nur drei Prozent wünschen sich laut der Allensbach-Umfrage, "vieles anders" zu machen. Familie ist längst kein Unwort mehr. Die Zweierbeziehung mit Kindern, mit Hund, Kanarienvogel und nach Möglichkeit eigenem Haus gilt nicht mehr als kleinbürgerlich und spießig. Immer mehr Jugendliche streben laut Meinungsforschern nach diesem Hort. Selbst Personen, die ihre Ausbildung eher auf Karriere ausgerichtet haben: Studenten. Drei Viertel von ihnen sind laut einer Umfrage bereits zu Studienzeiten sicher, dass sie später einmal Kinder haben möchten.Trendwende hin zur emotionalen Heimat

Eine klare Trendwende: Noch in den achtziger und neunziger Jahren wollte die junge Generation im Alter bis zu 34 Jahren wenig von Heirat und Familiengründung wissen. Aktuell stehen nicht mehr Sport, Hobby und Reisen im Mittelpunkt, sondern Ehe, Kinder und Familie, fand Freizeitforscher Horst Opaschowski heraus. Eine "neue Wertschätzung von Familie als emotionale Heimat" prognostizierte denn auch die Heidelberger Gesellschaft für Innovative Marktforschung. Was aber bedeutet Familienglück? "Kinder zu haben und seit 44 Jahren verheiratet zu sein, das ist für mich Familienglück." So definiert zum Beispiel Paul Müller aus Kenn (Trier-Saarburg) Familienglück. Auch für die 31-jährige Anja Bonertz gehören Kinder dazu: "Ein Nest zu schaffen und Eltern zu werden." Familienforscher tun sich aber schwer mit dem Begriff. Denn längst nicht alle Partnerschaften definieren sich einzig und allein über Kinder. Auch kinderlose Paare (ob gewollt oder ungewollt) können ihr ganz persönliches Familienglück finden. Und für viele stellen Kinder auch nur ein vermeintliches Glück, eher eine Belastung, dar: 60 Prozent der Beziehungen sind drei Jahre nach der Geburt des ersten Kindes nämlich zerrüttet. Der Münchner Familienforscher Wassilios Fthenakis stellt ernüchternd fest: "Im Regelfall verschlechtern sich Partnerschaften durch die Geburt eines Kindes." Viele Ehen zerbrechen auch an übersteigerten Glückserwartungen, die irgendwann nicht mehr erfüllt werden können. Die Familiensoziologin Rosemarie Nave-Herz sieht in den steigenden Ehescheidungen den Unwillen, unglückliche Ehe zu ertragen. Die Menschen seien eher bereit, den Partner zu wechseln als die Partnerschaft zu verändern. Der TV wird in den nächsten Wochen in der Serie "Kinder? Kinder!" Familien vorstellen, die ihr Glück gefunden haben oder noch danach suchen. Was bedeutet "Familienglück" für Sie? Das wollten wir in einer Straßenumfrage (Autorin: Katja Krämer) wissen. Die Antworten reichen vom gemeinsamen "Nestbau" bis zum Kinderreichtum:

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