Heikler Auftritt am Tag der Heimat

Berlin. Es ist für jeden Politiker ein schwieriger Auftritt, der von den Betroffenen selber und von den europäischen Nachbarn genau verfolgt wird. Einige Redner mussten schon die Erfahrung machen, dass sie auf dem "Tag der Heimat" gellend ausgepfiffen wurden, wie vor einem Jahr der damalige Innenminister Otto Schily (SPD). Bei Horst Köhler war es am Samstag anders.

Der Bundespräsident erhielt während und nach seiner Rede viel Applaus. Doch er wird geahnt haben, nur wenige Stunden nach seinem ersten Auftritt vor den Vertriebenen gab es Kritik von polnischer Seite. Angespanntes Verhältnis

Das Verhältnis zwischen den deutschen Vertriebenen und der polnischen Regierung ist momentan angespannt wie lange nicht mehr. 60 Jahre nach Ende des Zweiten Weltkrieges wird von polnischer Seite beunruhigt registriert und mit barschem Ton bedacht, wie forsch die Präsidentin des Bundes der Vertriebenen (BdV), Erika Steinbach (CDU), das seit Jahren geforderte Projekt eines "Zentrums gegen Vertreibungen" wieder vor-antreibt. Geargwöhnt wird, die Vertriebenen wollten die Geschichte relativieren. Darüber hin-aus wird Steinbach nicht müde, einen nationalen Gedenktag für die Vertriebenen zu fordern: "Es ist Aufgabe von ganz Deutschland, sich an die vielen Opfer zu erinnern", sagte sie am Samstag bei der Festveranstaltung im Berliner Congress Centrum (ICC). Neuester Stein des Anstoßes ist die vom BdV initiierte Ausstellung "Erzwungene Wege - Flucht und Vertreibung im Europa des 20. Jahrhunderts" im Berliner Kronprinzenpalais, die schon vor der Eröffnung vom Nachbarland heftig kritisiert wurde. Sogar einige Exponate wurden zurückverlangt. Die viel gescholtene Präsidentin sprach am Samstag "von verletzenden Tönen" aus Warschau. "Wir lassen uns aber nicht provozieren", meinte sie. Dennoch: Die Zeichen stehen nicht unbedingt auf Fortführung der deutsch-polnischen Versöhnung. Das mag zum einen an der Vehemenz liegen, mit der Steinbach die Sache der Vertriebenen verfolgt. Aber auch die neue national-konservative Führung in Warschau tut ihrerseits wenig für die Aussöhnung. Im Gegenteil, Kritiker werfen ihr vor, das ohnehin fragile Verhältnis beider Länder aus innenpolitischem Kalkül noch brüchiger werden zu lassen. In dieser heiklen Gemengelage trat also am Samstag Bundespräsident Horst Köhler an, was die Vertriebenen als "eine Zeichen der Solidarität" bewerteten. Neu sind Reden eines Staatsoberhauptes auf dem Tag der Heimat nicht. Köhlers Vorgänger Johannes Rau nutzte zum Beispiel 2003 die Gelegenheit, um seinem Image als Versöhner gerecht zu werden. Köhler fand ausgewogene Worte. Er bekräftigte, dass in Deutschland kein politisch Verantwortlicher die Geschichte umschreiben wolle; die Verbrechen des nationalsozialistischen Deutschlands seien die Ursache für die Vertreibung Millionen Deutscher gewesen. "Unsere eigene Diskussion über das Thema Flucht und Vertreibung sollte eben eingebettet sein in einen europäischen Dialog", forderte er. Aber was ist Aussöhnung, was ist eigentlich inzwischen Realität im deutsch-polnischen Verhältnis? Die Fußball-WM bot dem Präsidenten eine Antwort: Mit Miroslav Klose und Lukas Podolski hätten zwei gebürtige Polen erfolgreich in der deutschen Nationalmannschaft gekickt. So sieht wohl gelebte Versöhnung aus.

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