Herr Oberschlau und die anderen

Berlin · Das Parlament ist voll, und die Debatte entfaltet sich munter. Die Opposition spart nicht mit Attacken gegen die Koalitionsparteien und muss auch selbst einstecken.

Berlin. Gregor Gysi sagt den Satz, der den Verlauf der Debatte im Bundestag über das griechische Drama ganz gut wiedergibt: "Wir tun alle immer so oberschlau", ruft der Fraktionschef der Linken. Großes Gelächter, viele im Plenum zeigen feixend auf Gysi. "Ich auch", schiebt er schnell nach, "aber bei mir stimmt es wenigstens." Wieder Gelächter.
Es ist eine Debatte der Belehrungen. Herr Oberschlau von links trifft auf einen Finanzminister, der keinen Hehl daraus macht, dass er noch schlauer ist. Und er stachelt einen Vizekanzler an, der ihm beweisen möchte, dass er dann doch ziemlich dumm zu sein scheint. Am Ende sitzt Gysi ein wenig bedröppelt auf seinem Platz.
Das Parlament debattiert die Griechenlandkrise, und einig sind sich mit Ausnahme der Linken alle: Die Schuld an der jetzigen Misere trägt insbesondere die Regierung in Athen mit Ministerpräsident Alexis Tsipras an der Spitze.
Angela Merkel erwähnt den ungeliebten Griechen nicht, die Kanzlerin gibt lieber die oberste Europäerin, die retten will, was schwierig zu retten ist. "Es sind turbulente Tage, es geht auch tatsächlich um viel, die Welt schaut auf uns", bemüht sie großes Pathos. "Aber die Zukunft Europas steht nicht auf dem Spiel." Zugleich betont sie: "Vor dem Referendum kann über kein neues Hilfsprogramm verhandelt werden." Ein Eilverfahren werde es nicht geben. Man könne den Ausgang "in Ruhe abwarten".
Dass die Lage irgendwie unter Kontrolle ist, glaubt die Opposition nicht. Allen voran Gregor Gysi. Er geht hart mit Merkel, Finanzminister Wolfgang Schäuble und Vizekanzler Sigmar Gabriel ins Gericht: "Die Art, wie sie sich beweihräuchern, ist völlig daneben." Die von der Bundesregierung in Europa vorangetriebene Kürzungspolitik sei gescheitert.
Gysi attackiert auch die SPD, die Solidarität mit dem griechischen Volk vermissen lasse und im Jahr 2011 noch für ein Referendum gewesen sei, als die griechischen Sozialdemokraten regiert hätten. Zum Schluss sagt er der Kanzlerin, entweder werde sie die "Retterin" der europäischen Idee oder gehe in die Geschichtsbücher als "Zerstörerin" ein. Sie ignoriert den Angreifer.
SPD-Chef Sigmar Gabriel fühlt sich angespornt. Er versucht, den kleinen Linken noch einen Kopf kürzer zu machen. "Unser Leute haften für die Untätigkeit ihrer politischen Freunde in Griechenland", ereifert sich Gabriel. Viel Applaus. Täglich fließe derzeit eine Milliarde Euro aus Griechenland ab - Geld, das von der Europäischen Zentralbank stamme und für das unter anderem der deutsche Steuerzahler hafte. "Die angeblich linke Regierung lässt es zu, dass die Wohlhabenden das Geld außer Landes schaffen", ruft er.
Dann ist Wolfgang Schäuble (CDU) an der Reihe. Der Finanzminister ist Merkels wichtigster Mann in der Griechenlandkrise. Also wird es still im Reichstag, als er das Wort ergreift. Gysi behaupte stets, die Milliardenhilfen hätten nur die Banken gerettet. Das sei "demagogisch", weil durch das Geld die Funktionsfähigkeit der wirtschaft erhalten geblieben sei. Schäuble sagt seine Sätze leise, was bei ihm immer eine besondere Schärfe beinhaltet.
Auch er zeigt Mitgefühl: "Am schwersten haben es die Menschen in Griechenland", sagt er. Zumindest darin sind sich an diesem Tag alle einig.
Extra

Die Euro-Finanzminister warten vor weiteren Beratungen zu Griechenland das Referendum am Sonntag ab. Das berichteten Diplomaten am Mittwochabend nach einer Telefonkonferenz der Eurogruppe. Der US-Geheimdienst NSA hat nach Informationen der Enthüllungsplattform Wikileaks nicht nur Kanzlerin Angela Merkel (CDU), sondern weite Teile der Bundesregierung ausgespäht. Aus den Unterlagen, die der Süddeutschen Zeitung sowie NDR und WDR zugänglich gemacht wurden, gehe hervor, dass sich die NSA vor allem für die deutsche Währungs- und Handelspolitik interessierte. Die veröffentlichten neuen Dokumente enthielten auch ein Abhörprotokoll eines Telefongesprächs, in dem sich Merkel am 11. Oktober 2011 zu den damaligen Entwicklungen in Griechenland äußerte. "Die deutsche Kanzlerin erklärte, sie sei ratlos", heißt es den Berichten zufolge in dem Protokoll. Merkel sagte demnach, sie befürchte, dass selbst ein zusätzlicher Schuldenschnitt die Probleme nicht lösen könnte, da Athen nicht in der Lage sei, mit den verbleibenden Schulden zurechtzukommen. dpa

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