Herzblut für das neue Herz Europas

BITBURG/STRASSBURG. Der Ausgang der historischen Abstimmung gilt als sicher: Das Europäische Parlament wird heute in Staßburg der EU-Verfassung zustimmen. Die Hand zum "Ja" besonders hoch hält der SPD-Europa-Politiker Klaus Hänsch. Mit einem leidenschaftlichen Plädoyer für den Verfassungsvertrag setze er vor wenigen Tagen einen Glanzpunkt bei den Bitburger Gesprächen.

Dass Klaus Hänsch für die Europäische Verfassung eintritt, ist keine Überraschung. Der 66-jährige Ex-Präsident des Europa-Parlaments saß im Präsidium des Verfassungskonvents. Ungewöhnlich ist dagegen, wie der Sozialdemokrat argumentiert und plädiert, mahnt und warnt - kurz: Selten hört man Politiker, die mit so viel Herzblut bei der Sache sind. Auch für Klaus Hänsch ist die Verfassung, das neue Herz Europas, zwar ein Kompromiss. "Aber es ist erstmals nicht ein Kompromiss auf dem kleinsten gemeinsamen Nenner." Künftig werde die Gemeinschaft effizienter arbeiten - sei es bei der Ratspräsidentschaft, die von sechs Monaten auf mindestens zweieinhalb Jahre verlängert wird, oder in der Kommission: Das bisherige Prinzip "Ein Land, ein Kommissar" führe dazu, dass sich jeder Kommissar seinem Land verantwortlich fühle. In einer kleineren Kommission falle dieser Automatismus zugunsten der europäischen Perspektive weg. Die erweiterten Kompetenzen der Europa-Abgeordneten bedeuteten einen "Quantensprung für die parlamentarische Demokratie auf europäischer Ebene". Mit der Stärkung des Kommissionspräsidenten und der Bündelung der außenpolitischen Kompetenzen bei dessen Stellvertreter sei künftig klarer, wer was wann entscheide. Von diesem "EU-Außenminister" verspricht sich Hänsch zudem schnellere Handlungsfähigkeit in Sachen Sicherheit und Verteidigung. 40 Jahre lang habe Europa seine Einigkeit nach innen getragen, sich auf Integration und die Aufnahme neuer Mitglieder konzentriert. Nun, im Zeitalter der Globalisierung und des Terrorismus, müsse sie sich nach außen richten. Das "Prinzip der doppelten Mehrheit" schließlich - mindestens 55 Prozent der Staaten, die über 65 Prozent der Bevölkerung verfügen, müssen einen Beschluss mittragen - berücksichtige sowohl die Interessen der kleinen als auch der großen Staaten. Die Verfassung ziele nicht auf eine Ausweitung, sondern die Vertiefung der europäischen Integration, unterstreicht Hänsch. "Es geht darum, die übertragenen Kompetenzen gemeinschaftlicher und effizienter zu nutzen." Die Völker sollten geeint, aber nicht verschmolzen werden. Die Frage der Grenzen Europas lasse der Vertrag bewusst offen. Geografisch verliefen sie anders als historisch, wirtschaftlich anders als religiös, erklärte Hänsch mit Blick auf die Beitrittsverhandlungen mit der Türkei. Durch ihr "Ja" dazu habe die EU Verpflichtungen eingelöst. Nun beginne "ein quälender Prozess". "Wird er zehn Jahre dauern? Eher länger?" Anders als bei allen bisherigen Kandidaten stehe der Beitritt der Türkei nicht fest. Am Schluss der Rede stand ein emotionales Plädoyer, das Klaus Hänsch langen Beifall einbrachte: "Wir stehen jetzt vor der gleichen Herausforderung wie die Gründungsväter der EU vor 50 Jahren." Diese hätten mehr als 1000-jährige Konflikte in Europa überwunden - durch Weitsicht und Mut. "Diese müssen wir nun auch aufbringen", sagte er. "Daran wird uns die Geschichte messen."

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