Hilfe statt Zwang

Gut gemeint: Alle Kinder müssen regelmäßig zu den bislang nur empfohlenen Vorsorgeuntersuchungen, um rechtzeitig Hinweise auf Vernachlässigung und Misshandlung zu bekommen. Der Ansatz ist richtig, aber nicht durchdacht.

Wie soll diese Arztpflicht für Vorschulkinder umgesetzt werden, ohne einen Wust an Bürokratie aufzubauen und Zwang auszuüben? Sollen unwillige Eltern per Polizei in die nächste Kinderarztpraxis gebracht werden? Auch der Vorschlag der Kinderärzte, Totalverweigerern das Kindergeld zu streichen, dürfte kaum durchzusetzen sein. Insofern stellt sich die Frage nach dem Sinn des aus dem Saarland kommenden Vorschlags. Der Vorstoß ist populistisch. Er nutzt die Wut des Volkes nach den jüngsten schlagzeilenträchtigen Fällen wie etwa der verhungerten Jessica in Hamburg. Die Politik ist hilflos und versucht nun, sich in Aktionismus zu fliehen. Man schiebt den Eltern den Schwarzen Peter zu und stellt sie mit einer Verpflichtung zu Arztbesuchen unter einen Generalverdacht der Kindesmisshandlung. Immerhin signalisieren CDU und SPD, dass sie den Schutz von Kindern ernst nehmen. Es wird über Möglichkeiten diskutiert, Grausamkeiten im Vorfeld zu verhindern. Wir brauchen dringend ein Frühwarnsystem. Jedes Kind, dass an den Folgen von Misshandlung und Vernachlässigung stirbt, ist eins zu viel. Nötig ist eine Vernetzung aller an der Jugendhilfe Beteiligten. Jugendämter müssen vermehrt in Familien reingehen, Erzieherinnen stärker sensibilisiert werden. Statt Zwang brauchen betroffene Eltern und Kinder Hilfe. Und das gelingt nur, wenn alle an einem Strang ziehen und nicht nach Schuldigen suchen. b.wientjes@volksfreund.de

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