Hintergrund: Die Kommunen sitzen in der Schuldenfalle

Mainz · Die Steuereinnahmen sprudeln, das Land legt einen kommunalen Entschuldungsfonds auf, der Bund übernimmt Milliardenkosten für die Grundsicherung im Alter - doch das alles ist für die klammen Städte und Gemeinden nur ein Hoffnungsschimmer. Deren strukturelle Probleme bleiben ungelöst.

Mainz. Seit Anfang der 1990er Jahre hat sich die Situation der kommunalen Haushalte dramatisch verschlechtert. Kaum eine Gemeinde im Land kann ihren Haushalt noch ausgleichen, sprich es wird Jahr für Jahr mehr ausgegeben als eingenommen. "Die Defizite und Schulden steigen weiter ungebremst", resümieren die Experten des unabhängigen Landesrechnungshofes in ihrem Kommunalbericht 2010.

Im vergangenen Jahr überstieg landesweit die Summe der Kassenkredite mit 5,4 Milliarden Euro erstmals die der Investitionskredite (5,1 Milliarden Euro). Rheinland-Pfalz liegt mit diesen Zahlen laut Rechnungshof, pro Einwohner betrachtet, um 52 Prozent über dem Durchschnitt der westlichen Flächenländer.

Während Bürgermeister und Landräte stets auf die stark gestiegenen Kosten für gesetzliche Aufgaben wie Jugend- und Sozialhilfe verweisen, die ihnen von Bund und Land aufgebürdet worden seien, sieht der Rechnungshof durchaus Handlungsoptionen bei den Kommunen selbst. Sie müssten ihre Organisation und Verwaltungsabläufe kostengünstiger gestalten. Teure Neubauten mit hohen Betriebskosten seien zu vermeiden.

Dem Land schreiben die Prüfer ins Stammbuch, die Kommunal- und Verwaltungsreform voranzutreiben und dabei alle Ebenen einzubeziehen. Begründung: Mit zunehmender Gemeindegröße sänken tendenziell die Verwaltungskosten. Verwiesen wird auf ein Bundesland wie Sachsen-Anhalt, wo es seit dem 1. Januar nur noch 219 Gemeinden und Gemeindeverbände gebe - in Rheinland-Pfalz sind es 2493.

Einen neuen Vorschlag macht nun das Karl-Bräuer-Institut des Bundes der Steuerzahler: "Zeitnah" sollten kommunale Schuldenbremsen für Gemeinden eingeführt werden mit dem Ziel, die Aufnahme von Kassenkrediten nur mit einjähriger Laufzeit zu erlauben und die Gemeinden gleichzeitig zum Abbau der aufgelaufenen Defizite zu verpflichten.

Ein offenbar dem Zeitgeist folgender Vorstoß, denn für den Bund und die Länder gelten bereits solche Schuldenbremsen. Rheinland-Pfalz darf ab dem Jahr 2020 keine Nettoneukredite mehr aufnehmen, um den Landeshaushalt auszugleichen.

Die Reaktionen fallen unterschiedlich aus. "Wir haben diesen Schritt eigentlich schon hinter uns. Wir haben uns einvernehmlich mit den kommunalen Spitzenverbänden zu einem sehr ehrgeizigen Konsolidierungs- und Entschuldungsprogramm entschieden", sagt Finanzminister Carsten Kühl (SPD) unter Verweis auf den kommunalen Entschuldungsfonds. 15 Jahre lang werde damit beim Abbau von zwei Dritteln der Kassenkredite geholfen. 3,9 Milliarden Euro würden dafür aufgebracht.

Kühl kann sich durchaus eine zusätzliche gesetzliche Hürde für die zukünftige Inanspruchnahme von Kassenkrediten vorstellen. Darüber werde derzeit diskutiert. "Ein bloßes Verbot, eine Schuldenbremse ohne ein mutiges Entschuldungsprogramm, wäre aber ohne Erfolgsaussichten."

Aloysius Söhngen, Vorsitzender des Gemeinde- und Städtebundes, hält von einer kommunalen Schuldenbremse nichts. "Unser Problem sind die gesetzlichen Pflichtausgaben." Das Beziehungsgeflecht zwischen Bund, Ländern und Gemeinden müsse neu geordnet werden.

Mit Blick auf die möglicherweise gefährdete Bonität von Kommunen bei Kreditinstituten durch wachsende Schuldenberge sagt Söhngen: "Die Kommunen sind Teil des Staates. Das Land ist zu einer angemessenen Finanzausstattung verpflichtet."

Kassenkredite gelten als besonders kritisch für die Kommunen. Im Gegensatz zu Investitionskrediten werden mit diesem geliehenen Geld keine Bürgerhäuser oder Sporthallen gebaut, sondern laufende Ausgaben für das Verwaltungspersonal oder Leistungen der Jugend- und Sozialhilfe gedeckt. Laut Haushaltsrecht dürfen Kassenkredite nur in Anspruch genommen werden, um kurzfristige Liquiditätsengpässe zu überbrücken. Im Juli 2010 gestand das Innenministerium den Gemeinden jedoch zu, Kassenkredite mit einer Laufzeit von maximal zehn Jahren aufzunehmen.fcg

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