Hintergrund: Franzosen und Griechen stellen Weichen für Europa

Berlin/Kiel/Paris · In Frankreich wird am heutigen Sonntag ein neuer Präsident bestimmt, in Griechenland ein neues Parlament und in Schleswig-Holstein ein neuer Landtag. Mit den Urnengängen verbinden sich außen- und innenpolitische Weichenstellungen, die Angela Merkel das Regieren entweder erleichtern oder erschweren dürften.

Berlin/Kiel/Paris. Angela Merkel hat nie einen Hehl daraus gemacht, dass sie im Nachbarland Frankreich eine Wiederwahl ihres Duzfreundes Nicolas Sarkozy lieber sähe als den Aufstieg seines Konkurrenten François Hollande von den Sozialisten. Eine Mehrheit der Franzosen, das verheißen die Umfragen, ist allerdings vom gegenteiligen Wunsch beseelt.
Macht Hollande das Rennen, wäre die deutsch-französische Achse zur Bekämpfung der Euro-Krise größeren Belastungen ausgesetzt. Nicht wenige befürchten, dass es unter Hollande mit dem Sparen in Europa vorbei sein könnte. Dadurch würde der Fiskalpakt entwertet, der die EU-Staaten zur Einführung einer Schuldenbremse verpflichtet.
Hollande will diesen Vertrag zumindest um spürbare Wachstumsimpulse ergänzen. Dagegen ist Merkel bislang nur zu kosmetischen Korrekturen bereit. Erst vor ein paar Tagen hatte die CDU-Politikerin vor einem neuerlichen "Wachstum auf Pump" gewarnt und milliardenschweren Konjunkturprogrammen eine Absage erteilt.
Allerdings ist man in der Bundesregierung auch gerade dabei, sich einen Machtwechsel in Paris schönzureden. Hollande sei zu einer "pragmatischen Lösung" in Sachen Fiskalpakt bereit, heißt es in einem internen Papier deutscher Diplomaten, das am Freitag bekannt wurde.
Hoffen auf die Trendwende


Während sich Merkel also offenbar schon auf einen raueren europapolitischen Wind eingestellt hat, darf sie innenpolitisch noch hoffen, dass sich das Schicksal ihres schwer angeschlagenen Koalitionspartners FDP womöglich doch wieder zum Besseren wendet. Lange Zeit sah es so aus, als würde der Bundestrend die Liberalen auch in Kiel in die parlamentarische Bedeutungslosigkeit katapultieren. Doch mittlerweile schwimmt die Partei mit ihrem Spitzenkandidaten Wolfgang Kubicki an der Förde wieder oberhalb der Fünf-Prozent-Linie. Auch der Triumph der politischen Konkurrenz könnte sich in Grenzen halten.
Dank ihres Spitzenkandidaten Torsten Albig hat die SPD gute Chancen, stärkste Partei im Kieler Landtag zu werden. Zum Regieren werden die Genossen neben den Grünen aber noch den Südschleswigschen Wählerverband (SSW) der dänischen Minderheit benötigen. Das von der SPD ersehnte rot-grüne Signal hätte dann einen Schönheitsfehler. Wegen des knappen Kopf-an-Kopf-Rennens von SPD und CDU und der Stärke der Piratenpartei ist in Schleswig-Holstein aber auch eine große Koalition möglich. Dann hätte Merkel erst recht Grund zur Freude.
Der Wahl-Sonntag hält freilich noch eine weitere Unwägbarkeit für die deutsche Regierungschefin bereit. Auch in Griechenland gehen die Bürger an die Urnen. Beobachter erwarten dort eine weitere Aufspaltung der Parteienlandschaft (siehe Extra).

Extra

Vor dem Hintergrund der schwersten Finanzkrise seiner Geschichte wählen knapp 9,7 MillionenGriechen an diesem Sonntag ein neues Parlament. Beobachter erwarten eine Zersplitterung der bisherigen Parteienlandschaft. Vor allem den beiden Traditionsparteien, den Konservativen und den Sozialdemokraten, wird ein starker Stimmenverlust vorausgesagt. Sie bleiben in Umfragen zwar die stärksten Parteien, müssten aber eine große Koalition bilden. Insgesamt dürften bis zu zehn Parteien ins Parlament einziehen, darunter auch Vertreter des extremen linken und rechten Spektrums. Zur Abstimmung treten 32 Parteien an. dpa

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