Historisches Versagen

Washington. Die Kritik an der amerikanischen Außenpolitik wächst - auch im eigenen Land. Das absehbare Ende der friedlichem Bemühungen um eine Entwaffnung bestärkt die Gegner von US-Präsident Bush.

Es war ein Ratschlag des Vaters an den Sohn. Eine Empfehlung, die erstmals einer ungewöhnlichen öffentlichen Maßregelung gleichkam: "Man muß anderen gegenüber die Hand ausstrecken. Man muß andere überzeugen, dass lange Freundschaften wertvoller sind als kurzfristige Streitigkeiten." Diese Worte, kürzlich von George Bush senior bei einem der seltenen Auftritte des Ex-Präsidenten vor einem Universitätspublikum gesprochen, zielten auf die radikalen außenpolitischen Veränderungen ab, mit denen sich Washington derzeit konfrontiert sieht: Eine Welt, die sich in beispiellosen Solidaritätsadressen nach den Terroranschlägen des 11. September 2001 noch klar an die Seite Amerikas gestellt hatte, empfindet nunmehr zunehmend die USA und Präsident George W. Bush selbst als Gefahr für den Frieden. Der gestrige, lediglich aus drei Teilnehmer-Staaten bestehende Irak-Gipfel auf den Azoren ist nach Ansicht von Bush-Kritikern im eigenen Land das vorerst letzte Indiz in der Beweiskette für ein "historisches diplomatisches Versagen der Regierung", wie jetzt selbst das sonst eher konservative Wirtschaftsmagazin "Business Week" kritisierte, das Bush, Cheney, Rumsfeld und Powell "eklatantes Missmanagement" vorwirft. Es war das Treffen einer Supermini-Koalition der Willigen, deren Unterstützung durch andere Nationen vorwiegend auf dem Prinzip des Drucks basiert, wie jetzt die populäre politische Kommentatorin Molly Ivins, vertreten in zahlreichen US-Zeitungen, süffisant feststellt und fragt: "Wen sonst können wir jetzt noch beleidigen, erniedrigen, bestechen, erpressen, bedrohen, einschüchtern, abhören oder auf anderem Wege für unsere Zwecke beeinflussen?" Zwar stimmen in den USA auch die politischen Gegner des Präsidenten mit dem erklärten Ziel überein, Saddam Hussein zu entwaffnen. Doch die Mittel zum Zweck sind vielen suspekt geworden. Dabei geht es nicht nur um das persönliche Auftreten und Äußerungen gegenüber kritischen Alliierten. Am Freitag forderte der demokratische Senator John Rockefeller FBI-Direktor Robert Mueller auf, offenbar gefälschte Dokumente zu prüfen, mit denen US-Außenminister Colin Powell vor den Vereinten Nationen irakische Versuche zum Beschaffen von atomwaffentauglichem Plutonium beweisen wollte.Zweifel an den Beweisen

Die Internationale Atomenergie-Kommission hatte die Echtheit dieser Unterlagen - vor allem eine angebliche Korrespondenz mit dem afrikanischen Staat Niger - energisch in Frage gestellt. US-Präsident Bush hatte sich jedoch ebenfalls auf diesen Schriftwechsel bezogen, als er bei seiner letzten Rede zu Lage der Nation dem Irak das Streben nach Kernwaffen-Material vorwarf. Ob jedoch ausgerechnet amerikanische Bundesbehörden die Täuschungsversuche aufklären können, erscheint Kritikern des Bush-Kurses zweifelhaft. Auch vermeintliche Abhör-Aktionen gegenüber Mitgliedern des Sicherheitsrats und ihre Auftraggeber werden wohl niemals endgültig aufgeklärt werden.

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