Höchstes Lob für die Präsidentin

Man muss sich auch was gönnen können. Die EU-Präsidentschaft Deutschlands dauert noch drei Tage, doch gestern wurde vom Bundespresseamt bereits eine dicke Broschüre mit einer positiven Bilanz veröffentlicht. Zugleich schwärmten Angela Merkel (CDU) und Frank Walter Steinmeier (SPD) aus, um ihre Leistungen gebührend zu würdigen: die Kanzlerin vor dem Europaparlament, der Außenminister vor der Bundespressekonferenz.

Berlin. Merkel unterzeichnete in Brüssel noch schnell eine "Roaming-Verordnung". Die Europäer können künftig billiger miteinander per Handy telefonieren. Doch für sie kommt diese Regelung zu spät. Sie hatte in den letzten Wochen enorme Telefonkosten verursacht, als sie mit vielen ihrer 26 Regierungskollegen sprach, um dem größten Projekt über die Hürde zu helfen: Der europäischen Verfassung, neuerdings Grundlagenvertrag genannt. Mit Erfolg. EU-Parlamentspräsident Hans-Gert Pöttering sagte, Merkel habe "Maßstäbe für jede nachfolgende Präsidentschaft gesetzt". Kommissionspräsident José Manuel Barroso nannte die Kanzlerin "zäh" und "ehrgeizig". Was alles beim Gipfel auf dem Spiel stand, offenbarte das Spitzenduo der deutschen Politik erst gestern. Merkel sagte, eine neue Spaltung Europas sei vermieden worden. Steinmeier meinte, ohne die Einigung wäre Europa "um eine Generation in seiner Entwicklung zurückgefallen". Zu Erfolgen zählen auch die Klimabeschlüsse

Mit dem Kompromiss aber werde die EU, so die Kanzlerin, handlungsfähiger und bürgernäher. Die Übertragung außenpolitischer Kompetenzen an den "Hohen Beauftragten" bedeute sogar einen "politischen Quantensprung". Merkel vermied jede Kritik an Polen, obwohl dort in den letzten Tagen kräftig gegen sie nachgetreten worden war. Sie sagte im Gegenteil, ein Europa, bei dem einzelne Länder einmal Sonderwege gingen, sei ihr lieber, als ein Europa der zwei Geschwindigkeiten. Steinmeier hingegen sprach für seine Verhältnisse Klartext: Der "Griff in den Fundus historischer Vorurteile" sei nicht gerechtfertigt, das polnische Zeitschriften-Titelbild, das Merkel mit blankem Busen zeigte, "geschmacklos". Aber, so Steinmeier optimistisch, man werde versuchen, über die Irritationen hinwegzusehen. "Mit wachsendem Abstand wird das auch gelingen." Ganz ohne diplomatische Schnörkel äußerte sich in der Debatte des Europaparlaments der Vorsitzende der Sozialdemokratischen Fraktion (SPE), Martin Schulz. Er warf Polen den "permanenten Aufguss nationalistischer Eigensucht" vor. Schulz warnte Warschau mit einem Zitat Konrad Adenauers: "Man soll die Kuh nicht schlachten, die man melken will." Zu ihren Erfolgen zählen die Deutschen auch die Klimabeschlüsse vom März. Nicht so erfolgreich war man in der Außenpolitik. Das Kooperationsabkommen mit Russland kam nicht voran. Im Nahen Osten gelang zwar die Wiederbelebung des Quartetts aus EU, Russland, Uno und USA, doch warf die Hamas durch ihre Machtübernahme in Gaza zunächst alle Bemühungen zurück. Und über die Zukunft des Kosovo gibt es keine Einigung mit Serbien und Russland. Wie schwierig die EU ist, erlebte Merkel bei ihrer Abschiedsrede noch einmal konkret. Wegen der vielen Übersetzungsanlagen streikte das Saalmikrofon und die Kanzlerin musste ihre Rede mehrfach unterbrechen. "Man muss etwas Geduld haben mit Europa", sagte Parlamentspräsident Pöttering in einer der Zwangspausen.

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