Hoheit mit beschränkten Rechten

Von einer Krise ist in Luxemburg die Rede: Nach dem "Nein" des Großherzogs zum Sterbehilfegesetz will Regierungschef Jean-Claude Juncker die Befugnisse des Staatsoberhauptes beschränken.

 Künftig mit weniger Befugnissen ausgestattet: Großherzog Henri und Großherzogin Maria Teresa. Foto: TV-Archiv/privat

Künftig mit weniger Befugnissen ausgestattet: Großherzog Henri und Großherzogin Maria Teresa. Foto: TV-Archiv/privat

Luxemburg. Der Besuch der finnischen Präsidentin Tarja Halonen vergangene Woche in Luxemburg ist gestern Mittag noch immer die Top-Nachricht auf den Internetseiten des Großherzogs. Keine Stellungnahme zur von vielen Politikern des Nachbarlandes als institutionelle Krise gesehenen Meinungsverschiedenheit zwischen Großherzog Henri und Premierminister Jean-Claude Juncker. Mit der Weigerung, seine Unterschrift unter das Sterbehilfegesetz zu setzen (der TV berichtete) griff das Staatsoberhaupt erstmals in eine politische Debatte ein, und zwar in eine hoch emotionale, die seit Monaten das Land entzweit. Das letzte Mal war dies 1912 der Fall, als Großherzogin Marie-Adelheid sich dem Druck der Kirche beugte und sich monatelang weigerte, das Schulgesetz zu unterschreiben.

Obwohl laut Paragraf 34 der luxemburgischen Verfassung der Großherzog die vom Parlament verabschiedeten Gesetze zurückweisen kann, hielt es bislang niemand für möglich. Einem Gesetz die Unterschrift zu verweigern, käme einer institutionellen Krise gleich, hieß es bereits 1999 in der kritischen Zeitung d'Lëtzebuer ger Land. Mit anderen Worten: Die Monarchie in Luxemburg - übrigens das einzige Großherzogtum der Welt - wird zwar als selbstverständlich hingenommen, doch sonderlich ernst scheint man sie im Nachbarland nicht zu nehmen. Man ist stolz auf einen Hauch von Adel und Pomp, auf eine königliche Hoheit, die keine Krone trägt und keinen Thron hat. Ansonsten scheint der Großherzog, der in der Hierarchie des europäischen Adels zwischen einem Herzog und einem König rangiert, den Luxemburgern eher gleichgültig zu sein.

Premierminister Juncker: "Gravierender Eingriff"



Nicht anders lässt sich die Reaktion auf das großherzogliche "Nein", das Juncker wohl schon seit Wochen bekannt war, erklären. Schon ist von einem Wendepunkt in Luxemburg die Rede, vom Anfang des Endes der Monarchie, von der Republik Luxemburg. So weit wird es wohl nicht kommen. Auch wenn Juncker von einem "gravierenden" Eingriff spricht, will er "alles dransetzen, eine institutionelle Krise zu verhindern." Daher soll nun die Verfassung geändert werden. Künftig soll der Passus, dass der Großherzog den Gesetzen zustimmen muss, aus der Verfassung gestrichen werden. Bis März soll die Änderung durchgepeitscht werden, sodass das Gesetz zur Legalisierung der Sterbehilfe wie geplant umgesetzt werden kann. Schon ist von Erpressung des Großherzogs durch Juncker die Rede.

Leo Zeches, Generaldirektor der konservativen Tageszeitung Luxemburger Wort, die gegen das Sterbehilfegesetz ist, bezeichnet die Entscheidung des Großherzogs als einen "Akt der Zivilcourage". Das den Luxemburger Sozialisten nahestehende Tageblatt, das für die Sterbehilfe ist, sieht in der Entscheidung, die Vollmachten des Großherzogs zu beschneiden, eine "längst überfällige Reform".

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