Hollande bricht sein Wort: Fessenheim geht nicht vom Netz

Fessenheim/Paris · Die französische Regierung hat die Schließung des umstrittenen AKW Fessenheim um mehr als ein Jahr verschoben. Dass die älteste Atomanlage Frankreichs überhaupt vom Netz geht, ist damit fraglich, denn die Entscheidung liegt bei der nächsten Regierung.

Fessenheim/Paris. Es war das Wahlkampfversprechen Nummer 41 von François Hollande: die Schließung des Atomkraftwerks Fessenheim am Oberrhein. Bis zum Ende seiner Amtszeit im Mai 2017 wolle er die älteste Anlage Frankreichs vom Netz nehmen, hatte der Präsident immer wieder versichert. "Was ich gesagt habe, bleibt wahr", verteidigte der Sozialist sich noch im März gegen Zweifel an seiner Zusage.
Doch Hollande wird wortbrüchig: Umweltministerin Ségolène Royal verkündete am Dienstag, dass die Anlage aus dem Jahr 1977 länger am Netz bleiben wird als versprochen, nämlich bis 2018. Damit dürfte die Entscheidung über das Aus für Fessenheim nicht mehr bei Hollande liegen, der laut Umfragen 2017 keine Chancen auf eine Wiederwahl hat.Was tut die nächste Regierung?


"Frau Royal scheint auf eine Niederlage von François Hollande zu setzen, und die nächste Regierung wird Fessenheim nicht schließen", kritisierte der Grünen-Europaabgeordnete Yannick Jadot im Fernsehsender BFMTV.
Die Umweltministerin begründet die Verschiebung mit Verzögerungen beim Bau des Druckwasserreaktors EPR in Flamanville am Ärmelkanal. "Es gibt eine Deckelung der Atomstromproduktion, und das bedeutet, wenn Flamanville öffnet, muss Fessenheim schließen", sagte die frühere Präsidentschaftskandidatin. Das kann dann nicht vor Ende 2018 sein, denn erst vergangene Woche hatte der Betreiber EDF den Eröffnungstermin von Flamanville zum vierten Mal verschoben - auf das vierte Quartal 2018.

Das Energiewendegesetz, das die französische Nationalversammlung im Juli verabschiedete, sieht eine Kapazitätsobergrenze für die Atomkraft von 63,2 Gigawatt vor. Doch die Zahl sei nicht als Leistungsvorgabe für die Atomindustrie gemeint, bemerkte die Anti-AKW-Organisation Sortir du Nucleaire vergangene Woche. "Das Fiasko in Flamanville darf den Wahnsinn in Fessenheim nicht verlängern." Ob das moderne AKW am Ärmelkanal überhaupt jemals in Betrieb geht, ist fraglich. Denn der Bau des Pannenreaktors EPR wird immer teurer. Gleichzeitig häufen sich die technischen Probleme: So muss der 425 Tonnen schwere Reaktordeckel womöglich ausgetauscht werden, da der Stahl Risse bilden könnte.
Schlechte Aussichten also für Fessenheim, wo Atomkraftgegner seit Jahren auf die Gefahren hinweisen. Die beiden Reaktoren liegen in einer erdbebengefährdeten Zone am Oberrheingraben, nur knapp 30 Kilometer von Freiburg entfernt. Die baden-württembergische Regierung hatte Frankreich mehrmals aufgefordert, sich an den ursprünglich genannten Abschalttermin Ende 2016 zu halten.
Die Atomkraft macht in Frankreich einen Anteil von 75 Prozent am Strommix aus. Auf 50 Prozent wolle er den Prozentsatz bis 2025 zurückfahren, versprach Hollande ebenfalls im Wahlkampf. Ein Versprechen, das er wohl auch nicht halten kann, denn: "Um das Ziel von 50 Prozent zu erreichen, müssten bis 2018 fünf Reaktoren vom Netz", rechnet die Umweltschutzorganisation Greenpeace vor. Die Zahl entspricht nicht einmal zehn Prozent der 58 Reaktoren, über die Frankreich als Europas Atomstromproduzent Nummer eins verfügt.
Neben Fessenheim ist allerdings keine weitere Schließung geplant. Künftige Entscheidungen seien noch nicht "präsizisiert", sagte Hollande im März bei einem Besuch in Luxemburg. Das Erzherzogtum fordert ebenso wie das Saarland und Rheinland-Pfalz die Schließung des Kernkraftwerks Cattenom im Grenzgebiet zu Luxemburg und Deutschland. Dort wurden seit dem Start im Jahr 1986 fast 750 Störfälle gezählt.

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