Hollande schneidet Frankreichs Landkarte neu zu

Paris · Frankreichs Präsident François Hollande wagt sich an ein hochexplosives Dossier: Die vor zwei Jahrhunderten von Napoleon geschaffene Verwaltungsstruktur.

Paris. Mit einer großen Gebietsreform will Hollande die französische Landkarte künftig grundlegend neu zeichnen und die Zahl der französischen Festlandregionen von derzeit 22 auf 14 reduzieren. Erklärtes Ziel: Das Leben der Franzosen vereinfachen, Doppelstrukturen abbauen und Kosten sparen. Seine Vorstellungen detaillierte der Präsident in einem Gastbeitrag, der gestern in allen französischen Regionalzeitungen erschien.
"Unsere territoriale Organisation ist veraltet", schrieb Hollande. "Es ist an der Zeit, zu vereinfachen und klarer zu machen." Demnach soll das Frankreich von morgen künftig so aussehen: In unmittelbarer Nachbarschaft zu Deutschland fusioniert das Elsass mit Lothringen. Im Nordosten schließen sich die Picardie und Champagne-Ardenne zusammen und grenzen so an die neu geschaffene Einheit "Burgund-Franche-Comté". Im Süden verschmelzen Midi-Pyrénées und Languedoc-Roussillon, im Zentrum die bisher gleichnamige Region mit den Nachbarn Poitou-Charentes und Limousin. Aus den bisherigen zwei Normandie-Regionen wird künftig eine einzige.Regionen politisch aufwerten


Unverändert bleiben dagegen unter anderem der Zuschnitt des Pariser Großraums Ile-de-France und Korsikas. Auch die Bretagne und die Region "Pays de la Loire" im Westen sollen eigenständig bleiben. Parallel dazu plant Hollande, die Regionen politisch aufzuwerten. Vor allem im Vergleich mit den deutschen Bundesländern sind diese bisher finanzielle wie politische Zwerge. Das soll sich ändern.
Künftig sollten die französischen Regionen "mehr Verantwortung" erhalten, versprach Hollande. Dazu will er die Behörden der untergeordneten "Dépar-tements", die Generalräte, bis 2020 von der politischen Landkarte streichen und ihre Zuständigkeiten im Bereich Bildung, Transport, Beschäftigung und Sozialwesen den Regionen übertragen. Vor allem dieser Bereich dürfte sich als komplex und politisch brisant erweisen. Einen Zeitplan nannte Hollande nicht, sagte aber, es solle "schnell gehen". Parlamentspräsident Claude Bartolone erklärte daraufhin, Senat und Nationalversammlung würden "im Juli" über die Territorialreform beraten.
Ob die entsprechenden Gesetzestexte allerdings durchgehen, ist alles andere als sicher. Schon regt sich vehementer Protest gegen die Reform, der offenbar ein heftiges Geschachere mit sozialistischen Territorialfürsten und Hollandes Parteifreunden vorangegangen war. So erbt etwa seine Ex-Partnerin Ségolène Royal als Präsidentin der bisherigen Region "Poitou-Charentes" das flächenmäßig größte neue Gebilde, während die Loire-Region von Hollandes ehemaligem Regierungschef Jean-Marc Ayrault unangetastet bleibt. Auch an der "übereilten" und "von oben herab diktierten" Vorgehensweise regt sich Kritik. Es handle sich um eine "heimlich im Kabinettseck gebastelte Landkarte", schimpfte etwa der konservative Ex-Premier François Fillon.
Als Hintergrund der geplanten Reform gelten vor allem die Schuldenprobleme Frankreichs. Die Regierung hat zugesagt, bis 2017 insgesamt rund 50 Milliarden Euro einzusparen. Wie viel die Gebietsreform dazu genau beitragen wird, ist indes noch unklar. Der zuständige Staatssekretär André Vallini sprach bisher vage von Einsparungen in Höhe von zehn Milliarden Euro "im Zeitraum von fünf bis zehn Jahren".Meinung

Der Spalter
Mit seinem Vorhaben, Frankreichs politische Landkarte neu zu zeichnen, geht Staatspräsident François Hollande ein ebenso überfälliges wie explosives Dossier an. Grundsätzlich ist die Gebietsreform richtig und wichtig. Der "territoriale millefeuille", wie das komplexe Gebilde aus über-, unter- und zwischengeschalteten Gebietskörperschaften genannt wird, kostet den Staat ein Vermögen und steht jeglicher administrativer Vereinfachung entgegen. Die Kosten dieser Doppelstrukturen und Überschneidungen werden auf 18 Milliarden Euro pro Jahr geschätzt. Eine geglückte Territorialreform, die die Verwaltung effizienter machen und den Regionen mehr Kompetenzen übertragen würde, wäre daher eine gute Nachricht. Die Art und Weise aber, wie dieses umfangreiche Projekt vorbereitet und präsentiert wurde, lässt bezweifeln, dass der politische Coup auch gelingen wird. Zum einen hat Hollande mit seinen übereilt entworfenen und teils in letzter Minute abgeänderten Vorschlägen alle Parteien überrumpelt. Zum anderen ging den Ankündigungen ein derartiges Geschacher voraus, dass der Vorwurf - die Reform sei vor allem den Sensibilitäten diverser Territorialfürsten und Parteifreunden geschuldet - nicht von der Hand zu weisen ist. Schon begehrt halb Frankreich gegen die an sich sinnvolle Reform auf. Das ist schade. Doch Hollande hätte wissen müssen, dass sich gewachsene Strukturen nicht mit heißer Nadel neu stricken lassen. Mit seinem Plan, Frankreich aufzuteilen hat er vielmehr die Franzosen geteilt. nachrichten.red@volksfreund.de

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