"Horst Seehofer ist ein Spieler"

Berlin/München · Politikwissenschaftler glaubt nicht an einen Rückzug des CSU-Chefs.

"Horst Seehofer ist ein Spieler"
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Berlin/München Der bayerische Ministerpräsident und CSU-Chef Horst Seehofer will am Montag verkünden, wie er seine politische Zukunft sieht. Politikwissenschaftler Albrecht von Lucke glaubt nicht an einen Rückzug. Das Duell mit Angela Merkel habe den Bayern auferstehen lassen, so von Lucke im Gespräch mit unserer Redaktion.

Herr von Lucke, wird Horst Seehofer weitermachen?
Albrecht von Lucke Er hat ja in einer gut inszenierten Eskalationsspirale den Eindruck erweckt, sich ernsthaft mit dem Gedanken zu tragen, aufzuhören. Das Gegenteil wird der Fall sein. Seehofer wird mit getragenen Worten verkünden, dass er sich noch einmal in die Pflicht nehmen lassen will.

Was treibt ihn an?
von Lucke Zum einen die Macht. Horst Seehofer ist aber auch ein Spieler, das muss man sich bewusst machen. Er braucht das. Und er ist ein Überlebenskünstler. Zweimal ist er in den letzten Jahren schon eine lahme Ente gewesen: Als Karl-Theodor zu Guttenberg wie ein Komet aufgestiegen war und als der jetzige bayerische Finanzminister Markus Söder gekonnt den Eindruck vermittelte, sein Parteichef gehöre zum alten Eisen. Das bewusst betriebene Duell mit Angela Merkel um die Flüchtlingspolitik hat Seehofer regelrecht auferstehen lassen.

Welche Ziele verfolgt der bayerische Ministerpräsident?
von Lucke Er will einerseits nach wie vor Markus Söder verhindern. Das ist ganz klar. Er hat es auch geschafft, dass ihm seine nochmalige Kandidatur nicht als Anti-Söder-Kandidatur ausgelegt werden wird. Das Zweite ist: Durch das ständige Ausspielen seiner potenziellen Nachfolger hat er alle immer kleiner aussehen lassen. Und jetzt ist er in der Lage, sich selbst als einzige Lösung zu präsentieren, die für Ruhe und Ordnung in der Partei sorgen kann.

Stimmt es denn, dass es keinen Besseren in der CSU gibt?
von Lucke Das glaubt zumindest Seehofer, das ist seine Grundüberzeugung. Darin ist er interessanterweise Markus Söder so ähnlich, der sich wiederum für den Besseren hält. Seehofer weiß genau, dass Söder die ähnlichen Tricks spielt. Nur hat Söder es nicht geschafft, sich eine solide Machtbasis aufzubauen, die ihn als den stärkeren Kandidaten erscheinen lässt. Und alle haben natürlich gegenwärtig die riesige Angst, dass die CSU bei der Landtagswahl 2018 ihre absolute Mehrheit verlieren könnte.

Was würde Seehofers Weitermachen für Angela Merkel bedeuten?
von Lucke Seehofer und die Kanzlerin müssen jetzt das allergrößte Interesse daran haben, keine weitere Unruhe in die Union zu bringen. Deswegen nutzt die zu erwartende Seehofer-Entscheidung der Kanzlerin. Sie weiß, wenn er wieder antritt, muss es sein Anliegen sein, die Befriedung weiter zu betreiben.

Hat die Entscheidung auch Einfluss auf SPD-Kandidat Martin Schulz?
von Lucke Schulz ist meines Erachtens seit der Saarland-Wahl massiv angeschlagen. Wir erleben ihn ja faktisch gar nicht mehr. Er wird gehofft haben, dass es auch zukünftig jede Menge Irritation in den Reihen der Union gibt. So merkwürdig das auch erscheinen mag nach den heftigen Streitereien der letzten Monate: Macht Seehofer weiter, dürften die Gräben zwischen CDU und CSU nicht erneut aufgerissen werden. Und das kann nicht im Sinne von Martin Schulz sein.

Hagen StraußExtra: KENNER INTERNATIONALER UND DEUTSCHER POLITIK


Albrecht von Lucke (50) ist politischer Publizist, Jurist und Politologe. Der aus Ingelheim am Rhein stammende Politikwissenschaftler ist auch Redakteur der "Blätter für deutsche und internationale Politik". Foto: dpa

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