Hügeltreffen im schwarz-gelben Flachland

Berlin · Zahllose Gipfel, zu denen Kanzlerin Angela Merkel einlädt, enden ohne konkrete Ergebnisse. Die Teilnehmer dieser Treffen gehen zunehmend ohne größere Erwartungshaltung zu den Veranstaltungen.

Berlin. Familiengipfel, Frauengipfel, Energiegipfel, Pflegegipfel, Krippengipfel, Bildungsgipfel, Integrationsgipfel, IT-Gipfel, E-Auto-Gipfel. Wann immer ein Problem auftaucht, trifft sich die Regierung mit den Spitzen des betreffenden Bereiches, um mit ihnen gemeinsam nach Lösungen zu suchen. Oder so zu tun. Erst gestern fand in Berlin ein groß angekündigter Demografiegipfel statt, auf dem die Kanzlerin sprach. Zwar gab es solche "Gipfel" auch schon früher, aber erst Angela Merkel hat sie regelrecht zum System gemacht. Allerdings ist aus dem System inzwischen eine Masche geworden.
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Klopft man die "Gipfel" nach ihren Ergebnissen ab, zeigt sich der Niedergang. Eine geradezu beispielhafte Veranstaltung war noch der Bildungsgipfel 2008. Kurz vor der Bundestagswahl hatte die Kanzlerin damals das Thema entdeckt. Beim Treffen mit den Länder-Ministerpräsidenten erreichte sie konkrete Verabredungen zum Ausbau der Kinderbetreuung, wobei die Ergebnisse der Krippengipfel von 2007 als Basis genommen wurden zur Senkung der Zahl der Schulabbrecher und zur Verbesserung der Weiterbildung. Es wurden überprüfbare Zielvorgaben formuliert, so wie man es auch in großen Firmen macht.
Das war in ihren ersten Regierungsjahren eine beliebte Methode Merkels. Einige der Ziele wurden komplett, einige teilweise und andere gar nicht eingehalten.
Trotzdem gibt es keinen neuen Termin für einen Bildungsgipfel. Die Kanzlerin hakt nicht nach, wenn es holprig wird. Auch bei der Elektromobilität gab es im Jahr 2010 eine klare Übereinkunft: Eine Million E-Autos sollte bis 2020 auf Deutschlands Straßen rollen. Es gab einen zweiten Gipfel im Jahr 2011, aber inzwischen gilt das Ziel als unerreichbar. In zwei Wochen ist ein neues Treffen geplant, nun als allgemeiner internationaler E-Auto-Gipfel und ohne Ziel.
Immerhin noch mit einer Mini-Reform endeten die diversen Pflegegipfel. Die 2006 begonnenen Integrationsgipfel ergaben einen - allerdings unverbindlichen - "nationalen Integrationsplan". Die Energiegipfel wiederum dienten lediglich der Umsetzung schon getroffener Entscheidungen der Regierung, nämlich des Atomausstiegs. Fast komplett sinnfrei waren die Familien- und Frauengipfel, weil die Regierung sich hier selbst über ihre Linie nicht einig ist. Es waren Treffen frei nach dem Motto: Im Flachland kann man sich auch auf einem Hügel erhaben fühlen. Der IT-Gipfel 2011 wiederum war im Grunde nur ein Gespräch der Kanzlerin mit Vertretern der Branche.

Manchmal wäre es besser, die Veranstaltungen bescheidener "Konferenz" zu nennen. Denn oft sind es nur unverbindliche Zusammenkünfte, auf denen nichts entschieden wird. Das ist nicht nur der Opposition aufgefallen. So lästerte SPD-Spitzenkandidat Peer Steinbrück: "Über allen Gipfeln ist Ruh." Aber auch die Gäste aus Wirtschaft, Gesellschaft und Wissenschaft sind oft unzufrieden. Zunehmend gehen die Teilnehmer völlig erwartungslos in die Termine oder lassen sich gar entschuldigen. Merkel hat es übertrieben. Der zweite "Demografiegipfel" gestern hatte ebenfalls nur die Qualität einer Fachkonferenz.
Es ging um die Folgen der Alterung der Gesellschaft und wie sie bewältigt werden können. Der im letzten Jahr begonnene "breite, ebenenübergreifende Dialogprozess" werde fortgesetzt, frohlockte Innenminister Hans-Peter Friedrich (CSU). Die Kanzlerin wurde kaum konkreter. Sie durchstreifte alle Problembereiche, vom Fachkräftemangel bis zur Pflege, und schloss mit der bahnbrechenden Erkenntnis: "Wir haben gute Chancen, den Prozess des demografischen Wandels zum Guten zu gestalten."
Übrigens: Der ultimative Gipfel schlechthin ist auch schon in Planung. Für den 4. Juli hat Angela Merkel Wirtschaftsverbände und Gewerkschaften zum "Zukunftsgipfel" ins Regierungsgästehaus Schloss Meseberg geladen. Gipfeliger geht nicht.

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