"Ich habe gesagt: Guckt, wo ihr gucken wollt!"

Die Mainzer Staatsanwaltschaft hat in Zusammenhang mit der rheinland-pfälzischen CDU-Finanzaffäre mehrere Wohnungen und Büros durchsucht. Auch bei Ex-Landeschef Christoph Böhr in Trier schellten am Morgen die Ermittler. Der TV klingelte bei dem 56-Jährigen am Mittag - und wurde ebenfalls hereingelassen.

 Ein Bild aus alten Tagen: CDU-Landeschef Christoph Böhr entsorgt am 26. März 2006, dem Tag der Landtagswahl, vor seiner Trierer Wohnung Wahlkampfmüll, ehe er nach Mainz fährt. Am Abend tritt der Wahlverlierer von allen Spitzenämtern zurück. Bei unserem gestrigen Besuch wollte sich der 56-jährige Polit-Rentner nicht fotografieren lassen. Foto: TV-Archiv/Roland Morgen

Ein Bild aus alten Tagen: CDU-Landeschef Christoph Böhr entsorgt am 26. März 2006, dem Tag der Landtagswahl, vor seiner Trierer Wohnung Wahlkampfmüll, ehe er nach Mainz fährt. Am Abend tritt der Wahlverlierer von allen Spitzenämtern zurück. Bei unserem gestrigen Besuch wollte sich der 56-jährige Polit-Rentner nicht fotografieren lassen. Foto: TV-Archiv/Roland Morgen

Trier. Es war exakt 7.40 Uhr am Mittwochmorgen, als die Ermittler der Mainzer Staatsanwaltschaft bei der in einem Altbau im Trierer Alleenring lebenden Familie Böhr vor der Haustür standen. Unangemeldet. Aber wohl nicht ganz unerwartet. "Ich habe nie ausgeschlossen, dass sie mal kommen", sagt Böhr wenige Stunden später im Gespräch mit unserer Zeitung.

Der 56-Jährige sieht ein wenig blass aus. Er ist unrasiert, trägt ein dunkelblaues Polohemd, dar-über eine Strickjacke.

Eigentlich wollte Christoph Böhr an diesem Mittwochmittag knapp 200 Kilometer entfernt in Ludwigshafen sein - beim Geburtstagsfestakt für seinen ehemaligen politischen Ziehvater Helmut Kohl. Doch die Durchsuchungsaktion der Mainzer Fahnder hat den Zeitplan des langjährigen rheinland-pfälzischen CDU-Partei- und Fraktionsvorsitzenden offenkundig durchein-andergebracht.

Vor ein paar Jahren noch hätte der Trierer wohl alles darangesetzt, es irgendwie doch noch zuschaffen, rechtzeitig in Ludwigshafen oder wo auch immer zu erscheinen. "Aber die Zeiten", sagt Böhr, "sind vorbei. Ich bin kein Politiker mehr, und ich werde auch kein Politiker mehr."

Aber die Vergangenheit hat ihn dennoch eingeholt. Der Grund, warum die Staatsanwaltschaft am frühen Morgen bei ihm klingelte, liegt mehr als vier Jahre zurück. Christoph Böhr war damals erneut CDU-Spitzenkandidat für die Landtagswahl; die Partei finanziell klamm. Knapp 400 000 Euro Fraktionsgelder sollen seinerzeit an die Düsseldorfer Beratungsagentur C 4 geflossen sein - größtenteils für den Wahlkampf der Partei, was verboten ist (siehe Chronologie).

Christoph Böhr sagt, er habe sich nichts vorzuwerfen: "Nach allem, was mir bekannt ist, ist da nichts passiert." Er habe sich "schon das Hirn zermartert", fügt er hinzu, "aber mir ist nichts bekannt, wo ich Fehler gemacht hätte". Einen, nennen wir es Ausrutscher, räumt der ehemalige CDU-Funktionär dann aber doch ein. "Es ist Tatsache", sagt Böhr, "dass die Dokumentationspflicht damals nicht ausreichend erfüllt wurde."

Ein Punkt, der die Mainzer Staatsanwaltschaft in diesem Zusammenhang interessieren dürfte: War es Absicht oder Schlamperei?

Wohl auch um dies herauszufinden, haben die Ermittler gestern Morgen die Wohnungen von Christoph Böhr und dem ehemaligen Chef der Beratungsfirma und heutigen Hamburger CDU-Finanzsenator, Carsten Frigge, durchsucht. "Sie waren sehr freundlich, haben mir ihre Ausweise sowie den Durchsuchungsbeschluss gezeigt und gesagt: Wir müssen mal schauen, ob wir Unterlagen finden", beschreibt Böhr im Nachhinein den morgendlichen Besuch. Und Böhrs Reaktion? "Ich habe den Leuten gesagt: Guckt, wo ihr gucken wollt! Ich habe nichts zu verbergen."

Zwei Aktenordner hätten die Ermittler nach der eineinhalbstündigen Durchsuchung schließlich mitgenommen und die Festplatte seines Computers kopiert, sagt Böhr. Der Leitende Mainzer Oberstaatsanwalt Klaus-Peter Mieth spricht später von "einer Reihe von Beweismitteln", die bei den Durchsuchungen sichergestellt worden seien. Diese müssten nun ausgewertet und bewertet werden, sagt der Chef-Ermittler.

"Ich habe nur den Wunsch, dass es nicht noch einmal zwei Jahre dauert", sagt Christoph Böhr - und meint damit die vor-ausgegangenen Recherchen des Landesrechnungshofs. Diese waren mit ein Grund dafür, dass gegen Böhr und die beiden Ex-CDU-Funktionäre Herbert Jullien und Markus Hebgen nun wegen Untreue-Verdachts ermittelt wird.

Mit seiner politischen Karriere, die letztlich keine war, hat der Philosoph Christoph Böhr längst abgeschlossen. Er hat einen Lehrauftrag an der Uni Düsseldorf, schreibt Bücher und Aufsätze in Fachzeitschriften. "Aber halt nichts Politisches", sagt er, "davon bin ich inzwischen zu weit weg."

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