"Ich habe konkrete Vorschläge"

Kritik an ihrem Krisenmanagement, Streit mit den Ländern über die Konsequenzen aus dem Dioxin-Skandal: Verbraucherschutzministerin Ilse Aigner (CSU) steht derzeit im Kreuzfeuer. Dennoch glaubt sie, dass Bund und Länder für mehr Sicherheit von Lebensmitteln sorgen werden, so die Ministerin im Gespräch mit unserer Zeitung.

Berlin. (has) Mit Bundesverbraucherschutzministerin Ilse Aigner sprach unser Berliner Korrespondent Hagen Strauß.

Frau Ministerin, am Dienstag beraten Sie mit den Verbraucher- und Landwirtschaftsministern der Länder Ihren Aktionsplan. Was erwarten Sie von dem Treffen?

Aigner: Meine Vorschläge für mehr Sicherheit in der Futtermittelkette liegen auf dem Tisch. Ich will mehr Sicherheit für die Verbraucher. Mein Aktionsplan ist konkret ausgearbeitet - viele Punkte können schnell umgesetzt werden. Ich werde sie am Mittwoch dem Bundeskabinett vorstellen. Mit Blick auf die Sonderkonferenz am Dienstag sehe ich ein hohes Maß an Übereinstimmung. Ich erwarte von den Ländern, dass sie sich hinter diesen Plan stellen, dass sie insbesondere bereit sind, an der notwendigen Qualitätsoffensive für die Überwachung mitzuarbeiten.

An Ihrem Krisenmanagement gibt es dennoch viel Kritik, und die Opposition wirft Ihnen Ideenklau vor.

Aigner: SPD und Grüne müssen sich entscheiden: Wollen sie Wahlkampf machen oder die Verbraucher wirksam schützen? Die Leute erwarten von uns Lösungen - ich habe konkrete Vorschläge. Mein Aktionsplan deckt sich in vielen Punkten auch mit den Vorstellungen von SPD und Grünen. Noch fehlt bei Rot-Grün allerdings das klare Bekenntnis, die Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung verbessern zu wollen und - vor allen Dingen - bundeseinheitlich Intensität und Qualität der Überwachung laufend zu überprüfen.

Was muss sich bei den Kontrollen ändern?

Aigner: Wir müssen die Sicherheitsstandards in der Futtermittelkette deutlich erhöhen und die Melde- und Kontrollpflichten verschärfen. Mein Maßnahmenkatalog umfasst unter anderem eine Zulassungspflicht für Futtermittelbetriebe, eine strikte Trennung der Produktionsströme, die Ausweitung rechtlicher Vorgaben für die Futtermittelkontrolle, eine Meldepflicht für private Labors, eine verbindliche Positivliste in Europa und eine Überprüfung des Strafrahmens bei Rechtsverstößen. Außerdem muss das Dioxin-Frühwarnsystem ausgebaut, die Transparenz für Verbraucher erhöht und die Qualität der Lebensmittel- und Futtermittelüberwachung länderübergreifend verbessert werden.

Ohne die Länder werden Ihre Vorschläge allerdings verpuffen.

Aigner: Die Bundesländer haben die alleinige Kompetenz für die Futtermittelkontrolle. Die Kontrollpraxis ist in den 16 Bundesländern sehr unterschiedlich. Aber ich erkenne den gemeinsamen Willen, zu mehr Einheitlichkeit und zu höherer Sicherheit für die Verbraucher zu kommen.

Aber war es da nicht eher ein Fehler, Niedersachsen so scharf anzugreifen, weil man Sie angeblich zu spät über eine Ausweitung des Dioxin-Skandals informiert hat?

Aigner: Alles, was nötig war, habe ich gesagt. Niedersachsen hat uns zugesichert, den Vorgang aufzuklären.

Der Skandal hat die Verbraucher tief verunsichert. Was können die Menschen noch kaufen?

Aigner: Die Menschen müssen sich darauf verlassen können, dass alle Lebensmittel, die auf den Markt kommen, sicher sind. Deshalb ist es entscheidend, dass die zuständigen Länderbehörden in Verdachtsfällen schnell handeln, betroffene Betriebe sperren und dafür sorgen, dass belastete Ware nicht in den Handel gelangt. Der Bund hat den Ländern 2009 durch eine Gesetzesänderung die Möglichkeit geschaffen, die betreffenden Produkt-Chargen zu veröffentlichen. Leider haben nicht alle Länder davon Gebrauch gemacht. Zur Person Ilse Aigner, geboren am 7. Dezember 1946 in Feldkirchen-Westerham, ist seit Oktober 2008 Bundesverbraucherschutzministerin. Vor ihrer politischen Karriere machte sie eine Lehre zur Radio- und Fernsehtechnikerin und arbeitete danach im elterlichen Elektrohandwerksbetrieb. Sie ist ledig und kinderlos.Extra Keine Entwarnung im Dioxin-Skandal: 1040 Höfe sind bundesweit gesperrt. Über 900 Betriebe kamen hinzu, weil die Landwirtschaftliche Bezugsgenossenschaft Damme (LBD) Lieferdaten verschwiegen haben soll. Das Unternehmen war Kunde des Futtermittelproduzenten Harles und Jentzsch, der den Skandal durch Fett-Panschen verursacht haben soll. Die LBD leitete nach Angaben des Agrarministeriums in Hannover erst auf Druck vollständige Lieferdaten weiter. Etwa zehn Tage lang könnten vor allem Eier noch verkauft worden sein. Die Staatsanwaltschaft Oldenburg ließ Räume des Unternehmens durchsuchen. Das Futter ging laut Bundesagrarministerium an 934 Betriebe in Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Brandenburg und Bayern. Bauernpräsident Gerd Sonnleitner rechnet mit einem Schaden von über 100 Millionen Euro wegen der Hofsperrungen. (dpa)

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