"Ich möchte den Zölibat aufwerten, nicht abschaffen"

Trier · Fernsehpfarrer Stephan Wahl gehört zu den bekanntesten Priestern des Bistums Trier. Am Samstagabend äußerte er sich im "Wort zum Sonntag" ungewohnt deutlich zur Reformdebatte in der katholischen Kirche.

(sey) Nach der Sendung sprach TV-Redakteur Rolf Seydewitz mit dem Mediendirektor des Trierer Bischofs.

Mehr zum Thema Zölibat HIER

Wie hat denn Ihr Chef, Bischof Stephan Ackermann, das "Wort zum Sonntag" kommentiert?

Wahl: Er hat es noch nicht kommentiert. Ich bin mal gespannt auf die Reaktionen.

Hat Ackermann Ihr Manuskript vorab gelesen?

Wahl: Nein. Das "Wort zum Sonntag" ist eine reine Verkündigungssendung. Ich mache sie nicht als Kommunikationsdirektor des Bischofs, sondern als "Wort zum Sonntag"-Sprecher.

Muss es überhaupt ein Kirchenoffizieller abnicken, bevor es ausgestrahlt wird?

Wahl: Das Manuskript wird im Vorfeld nur dem kirchlichen Sendebeauftragten beim Saarländischen Rundfunk vorgelegt.

So unverklausuliert wie Sie haben sich bislang nur wenige exponierte katholische Priester für eine Abschaffung des Pflicht-Zölibats und die Zulassung Homosexueller oder wiederverheirateter Katholiken zur Kommunion ausgesprochen. Vertreten Sie in der Kirche eine Einzelmeinung oder haben Ihre Mitbrüder Angst?

Wahl: Ich habe meine Meinung in diesem Punkt nicht geändert, sondern vertrete sie seit Jahren. Ich merke, dass bei den Punkten, die ich in der Sendung angesprochen habe, viele Menschen auf meiner Seite sind. Die zölibatäre Lebensform ist sicher eine für Priester angemessene Lebensform, aber sie ist es eben nicht notwendigerweise und wesensmäßig. Sonst gäbe es nicht kirchlich sanktionierte Ausnahmefälle, etwa bei übertrittswilligen verheirateten evangelischen Pfarren. Ein aktuelles Beispiel dafür erleben wir derzeit in Köln. Für katholische Priester, die irgendwann ehrlich bekennen, dass sie den Zölibat nicht mehr leben können, gibt es keine Ausnahmeregelung, nur den Abschied. Hier wird mit zweierlei Maß gemessen.

Über eine Lockerung des Zölibats wird seit Jahrzehnten diskutiert, passiert ist nie etwas. Wie optimistisch sind Sie, dass sich dieses Mal etwas bewegt?

Wahl: Ich bin in diesem Punkt natürlich sehr realistisch. Aber ich möchte noch einmal deutlich machen: Mir geht es nicht um die Abschaffung des Zölibats, sondern sogar um eine Aufwertung. Diese Aufwertung des Zölibats kann aber nur erreicht werden, wenn man ihn freistellt. Weil dann nicht jemand meiner Priesterkollegen unter den Verdacht gerät, den Zölibat nicht zu leben. Dann wird es so sein: Die ihn leben wollen, leben ihn als freiwilliges Zeugnis. Und wer als katholischer Priester eine andere Lebensform für sich als geeignet ansieht, lebt die eben auch.

Welche Reaktionen haben Sie auf die Sendung schon bekommen?

Wahl: Sehr, sehr positive. Ich bin selbst sehr überrascht über das Echo, das mein "Wort zum Sonntag" vom Samstagabend ausgelöst hat. Sonst halten sich die Rückmeldungen eher im Rahmen. Aber ich habe unmittelbar nach der Sendung per E-Mail sehr große Resonanz bekommen. Die meisten Rückmeldungen waren übrigens positiv. Und die Zuschauer, die sich gemeldet haben, waren unterschiedlichen Alters und kamen aus den unterschiedlichsten Lebenssituationen.

Nächsten Samstag sind Sie wieder auf Sendung: mit welchem Thema?

Wahl: Das weiß ich noch nicht. Das "Wort zum Sonntag" wird erst am Freitag aufgezeichnet. Und ich entscheide mich erst kurz vorher, mit welchem Thema ich mich befasse.

Stichwort Zölibat: Der Zölibat (vom lateinischen caelebs = unverheiratet) als Ehelosigkeit für Priester wird in mehreren Religionen gefordert. Im Christentum hat er seinen Ursprung im 4. Jahrhundert. Das Neue Testament kannte noch keine solche Regelung. In ihm wird nur die Ehelosigkeit "um des Himmelreichs willen" als Wert anerkannt. Im frühen Christentum setzte sich die Vorstellung durch, dass Ehe und Dienst am Altar nicht vereinbar seien. Erst durch das Konzil von 1139 wurde das Heiratsverbot für Priester rechtlich eindeutig fixiert. Hoffnungen nach dem Zweiten Vatikanischen Konzil (1962-1965) auf eine Änderung des Zölibatgesetzes erfüllten sich nicht. Wer Priester werden will, muss bei der Diakonenweihe, die vor der Weihe zum Priester steht, die Ehelosigkeit geloben. Ausnahmen gibt es, wenn etwa verheiratete evangelische oder anglikanische Geistliche zum katholischen Glauben konvertieren. Sie können dann zu Priestern geweiht werden, ohne ihre Ehe aufgeben zu müssen.

Hintergrund Homosexualität gilt in der katholischen Kirche als "schwere moralische Verirrung". Wer diese Neigung auslebe, mache sich einer schweren Sünde schuldig. In einem acht Jahre alten Papier der Glaubenskongregation heißt es, Homo-Ehen seien eine Gefahr für die Gesellschaft und dürften nicht rechtlich anerkannt werden. Der Essener Bischof Franz-Josef Overbeck sagte noch vor einem Jahr in der ARD-Sendung Anne Will, Homosexualität sei Sünde und widerspreche der menschlichen Natur. (sey)

Extra
Wiederverheiratete Geschiedene sind in der katholischen Kirche von der Kommunion ausgeschlossen. Dies hat Papst Benedikt XVI. in seinem Apostolischen Schreiben "Sacramentum Caritatis" (Sakrament der Liebe) im März 2007 noch einmal bekräftigt. Die Begründung in dem Schreiben lautet: Der Status und die Lebenslage der Wiederverheirateten widersprächen "jener Liebesvereinigung zwischen Christus und seiner Kirche, die in der Eucharistie bedeutet und verwirklicht wird". Immerhin räumt auch der Papst ein, dass es sich um ein "dornenreiches und pastorales Problem handelt". (sey)

Zur Person
Stephan Wahl ist als Medienchef des Bischofs einer von sechs Direktoren in der Verwaltung des Bistums Trier. Der gebürtige Bonner wurde 1988 in Trier zum Priester geweiht, machte später beim Saarländischen Rundfunk eine journalistische Zusatzausbildung. 2006 wurde Wahl zum Päpstlichen Ehrenkaplan (Monsignore) ernannt; als Domvikar gehört der 50-Jährige dem Domkapitel an, das den Bischof wählt. (sey)

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Aus dem Ressort