Ikone des Umschwungs

Das Traum-Wahlergebnis von Franz Müntefering zum SPD-Vorsitzenden zeigt deutlich, wie sehr der Sauerländer inzwischen für die Genossen zur Ikone des Umschwungs, des Neuanfangs der deutschen Sozialdemokratie geworden ist.

Aber gerade weil die Erwartungen an ihn so riesengroß sind, könnten daraus schnell Last und Bürde werden: Denn Müntefering ist kein SPD-Vorsitzender, der mächtig den Ton nach Lust und Laune angeben kann. Er hat vielmehr nach innen die heftig umstrittene Politik von Bundeskanzler Gerhard Schröder zu vertreten und zu verkaufen. Schwer genug wird das werden. Auf dem Sonderparteitag am Sonntag in Berlin war bei der Rede des Bundeskanzlers nämlich deutlich spürbar, dass der personelle Wechsel an der Parteispitze das inhaltliche Frustpotenzial bei den Genossen keineswegs verringert hat. Das könnte Müntefering, der noch tapfer für seinen Kanzler und dessen Agenda kämpft, irgendwann kräftig in die Bredouille bringen. Dann nämlich, wenn seine rhetorischen Kurzformeln nicht mehr ausreichen, wenn der Schwung des Neuanfangs verpufft ist und die Erfolge der immer lautstärker gescholtenen Reformpolitik tatsächlich ausbleiben sollten. Die Kritiker, die gestern aus Solidarität geschwiegen haben, sind zudem nicht auf ewig verstummt - sie werden weiter mosern, meckern und Änderungen fordern. Die Drohkulisse einer möglichen neuen Links-Partei tut ein Übriges. Wie Müntefering daher den Spagat zwischen Regierungs- und Parteitreue schaffen will, wird eine der wirklich spannenden Fragen der nächsten Monate werden. Eine Herkulesaufgabe, die er sich da zweifellos auferlegt hat. Scheitert er, ist jedoch auch Gerhard Schröder gescheitert. nachrichten.red@volksfreund.de

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