Im Gespräch

Sie lesen es in der Zeitung, Sie hören es im Radio und im Fernsehen: "In der Koalition geht der Streit um das Thema X weiter", "Zwischen Union und SPD wird weiter um neue Vorschläge zur Y-Reform gestritten".

Es ist die Standardeinleitung vieler Meldungen der Nachrichten-Agenturen, und fast alle anderen Medien "beten" sie einfach nach. Wer sich den jeweiligen Sachverhalt etwas genauer ansieht, der stellt allerdings sehr schnell fest, dass es sich in den meisten Fällen um nichts anderes als die Fortsetzung einer Diskussion handelt. Und in der Natur der Sache liegt es nun einmal, dass es bei Diskussionen meistens kontrovers zugeht. Sonst bräuchte man sie ja nicht zu führen. Mit Streit oder Streiten aber hat das eigentlich nur in den wenigsten Fällen etwas zu tun. Es ist die normalste Sache der Welt, dass in einer Regierungs-Koalition oder zwischen Parteien in Sachfragen um die beste Lösung und den richtigen Weg gerungen wird. Wir Medien-Macher müssen uns angesichts dieser "Berufskrankheit" durchaus selbstkritisch an der Nase fassen und sollten einmal nach den Ursachen dafür forschen. Eine mag sicher in Gedankenlosigkeit begründet sein. Eine andere Ursache könnte sein, dass wir Journalisten offenkundig erst für berichtenswert halten, was das Format eines Streits hat, und wir alles, was unterhalb dieser Schwelle liegt, als banale Alltäglichkeit ohne Berichterstattungswert anzusehen geneigt sind. Also wird das Etikett eines Streits für die Berichterstattung einfach akzeptiert. Bei allem Bemühen, unser sprachliches Fingerspitzengefühl zu verbessern - an dieser "Berufskrankheit" werden wir Medien-Macherwohl auch in Zukunft weiter leiden. Sie aber, liebe Leserin, lieber Leser, haben unabhängig davon täglich die Möglichkeit, die Spreu (den Streit) vom Weizen (der Diskussion) zu scheiden. Ich wünsche Ihnen ein schönes Wochenende Ihr Walter W. Weber Chefredakteur

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