Im Herbst muss geklärt sein: Wer kommt nach Schulz?

Brüssel · Noch regiert in Brüssel die Sommerpause. Bald wird eine Personalfrage für Aufregung sorgen. Sie lautet: Wer beerbt den SPD-Politiker Martin Schulz im Amt des EU-Parlamentspräsidenten? Erste Kandidaten bringen sich in Stellung.

 MöglicheKandidatin: Mairead McGuinness.

MöglicheKandidatin: Mairead McGuinness.

Foto: ARRAY(0xb3237a80)

Brüssel. Eigentlich müsste der Präsident des Europaparlaments, Martin Schulz (SPD), im Januar sein Amt niederlegen und Platz machen für einen christlich-konservativen Nachfolger. Das sieht eine Vereinbarung vor, die die Fraktion der Konservativen im Parlament (EVP) mit der Fraktion der Sozialdemokraten (S&D) geschlossen hat. Im Parlament arbeiten EVP und S&D in einer informellen Koalition zusammen und sorgen mit ihren roten (189 Mandate) und schwarzen (215) Stimmen dafür, dass Gesetzentwürfe der Kommission konstruktiv begleitet werden.
Am Amt Gefallen gefunden


Doch Schulz, der sich als Gesicht der Europapolitik bekannt- gemacht hat wie kein Vorgänger, hat Gefallen gefunden am Amt. Hinter den Kulissen arbeitet der 60-Jährige aus Würselen bei Aachen mächtig dafür, dass er, der das Amt schon seit 2012 innehat, vielleicht doch noch einmal eine Verlängerung bekommt. So zweifeln hinter vorgehaltener Hand wichtige Genossen im Parlament an, ob die Vereinbarung zwischen den Fraktionsspitzen aus dem Jahr 2014 noch gilt: "Es entspricht jedenfalls nicht dem Geist der Vereinbarung, wenn nur noch Christdemokraten an der Spitze der drei Brüsseler Institutionen stehen." Damit wird darauf angespielt, dass mit Ratspräsident Donald Tusk und EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker schon zwei Konservative die EU repräsentieren.
Zuletzt hat Schulz es vermutlich etwas übertrieben. Da hat er sich mit Juncker dem Spiegel als Interview-Partner angedient. Darin hat dann Juncker eine Lanze für Schulz gebrochen und eine Verlängerung nahegelegt. Juncker und Schulz arbeiten vertrauensvoll zusammen, die beiden verbindet eine Männerfreundschaft - und die Tatsache, dass Schulz der Kommission im Parlament immer wieder die Zustimmung der Genossen sichert.
Per Interview Ärger entfacht

 Möglicher Kandidat:Alain Lamassoure.

Möglicher Kandidat:Alain Lamassoure.

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Das Interview hat die Christdemokraten verärgert. Vor allem die Deutschen. Der Chef der Fraktion im Europaparlament, der CSU-Abgeordnete Manfred Weber, reagierte harsch. Er schätze zwar den Rat des Luxemburgers, so Weber, "allerdings wählt das Europaparlament seinen Präsidenten und den Kommissionspräsidenten und nicht umgekehrt". Und weiter: "Wir haben eine feste Verabredung mit den Sozialdemokraten."
Viele Konservative freuten sich über diese Festlegung gegen Schulz. Sie hatten befürchtet, dass Weber womöglich zugunsten von Schulz umkippt. Nun gilt als sicher, dass die Konservativen den nächsten Präsidenten des Parlamentes stellen wollen. Eine Handvoll Konservative läuft sich warm, Fraktionschef Weber hält sich bedeckt.
Drei Kandidaten werden Chancen eingeräumt. Am bekanntesten ist der Italiener Antonio Tajani. Dem 63-Jährigen wird jedoch angekreidet, dass er als damaliger EU-Industrie-Kommissar 2010 Hinweise auf den VW-Diesel-Skandal hatte und untätig blieb.
Der 57-jährigen Irin Mairead McGuinness werden Chancen eingeräumt, wenn, wie es in Brüssel heißt, "ein kleiner Mitgliedstaat zum Zuge kommen soll".
Sich selbst bringt immer wieder Alain Lamassoure ins Gespräch. Der 72-jährige Franzose würde gern seine Karriere mit dem Titel krönen. Unter den Konservativen legt sich keiner fest, wer am Ende das Rennen machen wird. Auch eine Kampfkandidatur wird inzwischen nicht ausgeschlossen.
376 Stimmen muss im EU-Parlament holen, wer Nachfolger von Schulz werden will. Die Genossen verfügen wie gesagt über 189 Sitze, die Konservativen über 215.
Da muss der Blick auch zu den anderen Fraktionen gehen. Zum Beispiel zu den Grünen, die über 50 Sitze verfügen. Zumindest bei den Grünen werden Schulz kaum Chancen eingeräumt. Ihm wird verübelt, dass er seine Rolle als oberster Repräsentant des EU-Parlamentes nutze, "um seine bundespolitischen Ambitionen zu pflegen". Vielen Kollegen aus anderen Ländern gehe zudem auf die Nerven, dass Schulz rücksichtslos eigene Mitarbeiter in gut dotierte Verwaltungsjobs hieve. Dagegen kündigt sich grüne Unterstützung für einen christlich-konservativen Kandidaten an. Der Chef der deutschen Grünen-Abgeordneten im Europa-Parlament, Reinhard Bütikofer, sagt im Gespräch mit unserer Zeitung: "Bei drei der diskutierten EVP-Kandidaten bin ich mir einigermaßen sicher, dass eine gute Mehrheit unserer Fraktion für sie stimmen könnte." Bütikofer geht noch einen Schritt weiter. Er appelliert an Schulz, nicht aus egoistischen Motiven die informelle große Koalition im Parlament aufzukündigen: "In der schwierigen Lage, in der sich die EU gerade befindet, sollte es seiner S&D-Fraktion schwerfallen, sich der Zusammenarbeit zu verweigern, bloß weil Martin Schulz sich an eine vor zwei Jahren getroffene Job-Absprache mit den Konservativen halten soll."

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