Im Kampf gegen die Wirklichkeit

BAGDAD. Drei Wochen lang hat er für seinen Chef den Kopf hingehalten: der irakische Informationsminister Mohammed Sajjid el Sahhaf. Zuletzt ist auch er abgetaucht, und seine surrealen Pressekonferenzen sind Geschichte.

Männer auf verlorenem Posten: Der irakische InformationsministerMohammed Sajjid el Sahhaf ist seinem Diktator gefolgt und hatsich aus dem Wüstenstaub gemacht. Dabei ist er inzwischen auf dembesten Weg zur internationalen Kultfigur. Einige britischeBlätter haben ihm, in Anspielung an Saddams grausamen Cousin AliHussein Majid ("Chemical Ali"), bereits einen neuen Namenverliehen: Comical Ali. Sajjid el-Sahhafs Beliebtheit wächst: Wie die Londoner "Times" meldet, sind die olivfarbenen T-Shirts mit seinem Konterfei bereits der Renner im Internet. Neben dem Gesicht des Ex-Ministers - der, Ironie des Schicksals, einmal Englischlehrer werden wollte - steht der Satz: "We are in control". Das Sahhaf-Shirt gehe derzeit besser als die Leibchen mit Fußball-Idol David Beckham.

Ein irgendwie verdienter Erfolg: Drei Wochen lang trotzte der tapfere el Sahhaf jeden Tag nicht nur den Mikrofonen und Objektiven der internationalen Medien, sondern auch der Realität.

Drei Wochen lang musste er als offizieller Vertreter eines nach sämtlichen DIN-Maßstäben zertifizierten Terror-Regimes den Kopf für seinen Diktator hinhalten, während sich dieser längst in Sicherheit gebracht hatte. Stets verkündete er die "glorreichen Siege" und "schrecklichen Lektionen". Die besten Sprüche des Desinformationsministers:

"Sie (die Angreifer, Anm. d. Red.) schicken ihre Kampfflugzeuge im Tiefflug über unsere heiligen Stätten, um Vibrationen zu erzeugen. Sie versuchen sie zu zerbrechen, indem sie tief darüber hinweg fliegen."

"Bagdad ist sicher. Die Ungläubigen begehen zu Hunderten Selbstmord vor den Toren von Bagdad."

"Wir haben sie mit unseren Truppen umzingelt. Wir werden sie massakrieren, diese Invasoren. Hier werden ihre Gräber sein."

"Wir haben die Streitkräfte am Flugplatz geschlachtet."

"Heute hat sich das Blatt gewendet. Wir sind dabei sie zu zerstören."

Alles rhetorische Streubomben mit null Trefferquote. Alles heiße Luft - aber kalt serviert.

Dabei flogen Comical Ali zuletzt schon die Granatensplitter regelrecht um die Ohren, und die waren gewiss nicht auf "friendly fire" zurück zu führen. Zum Schluss musste er seine Parolen sogar irgendwo auf der Straße verbreiten - im Laufschritt.

Meistgelesen
Neueste Artikel
Zum Thema
Warum, Tony?
Vinyl der Woche: (Is This The Way To) Amarillo – Tony Christie Warum, Tony?
Aus dem Ressort