Im Minenfeld internationaler Gesetze

Die offenbar von Israel in Auftrag gegebene Ermordung des Hamas-Militärführers Mahmud al-Mabhuh im Golfstaat Dubai wirft viele Fragen auf. Eine davon: Gibt es eine legitime außergerichtliche Tötung?

Washington/New York. Barack Obamas derzeit bevorzugte Waffe im Kampf gegen den Terror ist die unbemannte ferngesteuerte CIA-Drohne. Nahezu täglich tötet sie in Pakistan oder im Grenzgebiet zu Afghanistan verdächtige Extremisten - eine klassische "außergerichtliche Tötung", bei der es keine Verhaftung und kein Gerichtsverfahren gibt. Gelegentlich kommen auch Zivilisten zu Schaden. Doch gegen diese Vorgehensweise des US-Präsidenten gibt es so gut wie keine Proteste, vor allem nicht in Europa.

Israel hingegen ist durch den - bisher nicht schlüssig bewiesenen - Auftrag zur Ermordung des Hamas-Militärführers Mahmud al-Mabhuh im Golfstaat Dubai ins Fadenkreuz geraten. Eine Vielzahl an EU-Politikern geht davon aus, dass neben der Verwendung von gefälschten Pässen aus den Mitgliedsstaaten auch die Tötung des Waffenhändlers und Terroristen illegitim und deshalb verurteilenswert ist. Doch so einfach ist die Lage nicht, nimmt man internationales Recht als Maßstab. Denn längst nicht alle "außergerichtlichen Tötungen" sind gesetzwidrig. Jeder Soldat, der einen feindlichen Kämpfer ausschaltet, handelt außergerichtlich - wie im übrigen auch jeder Polizist, der einen gewalttätigen Kriminellen niederstreckt. Das Kriegs- und Völkerrecht erlaubt zudem Parteien im Kriegszustand, Feinde zur Schadensabwendung immer dann auch ohne explizite Zustimmung von Drittländern dort auszuschalten, wenn diese Staaten nicht gegen diese Personen vorgehen oder ihr Vorgehen tolerieren.

Ein Paragraf, auf den sich Israel durchaus berufen könnte und auf dessen Grundlage die USA beispielsweise 2009 im Jemen ein führendes El Kaida-Mitglied getötet haben.

Zudem wird eine Frage bisher so gut wie gar nicht gestellt: Warum hat Dubai dem Hamas-Terroristen und Mitglied einer kriegführenden Organisation überhaupt die Einreise erlaubt und ihn nicht festgenommen? Aufschluss darüber gibt die Aussage des Polizeichefs von Dubai, der sich kürzlich allen Ernstes beklagte, das Opfer hätte seine Reisepläne doch frühzeitig den Behörden bekanntgeben sollen - dann hätte ihn Dubai beschützen können. Eine Verhaftung oder gar eine Auslieferung an Israel standen also gar nicht erst zur Debatte.

Was sind angemessene Reaktionen?



Dass mit dem Mord an al-Mabhuh gegen geltendes Strafrecht von Dubai verstoßen wurde, steht zweifelsfrei fest. Ein Prozess gegen Verdächtige müsste deshalb in dem Golfstaat stattfinden, soll er Legitimität haben - und müsste theoretisch auch die Frage berücksichtigen, inwieweit die Tötung durch internationales Kriegsrecht legitimiert war. Unwahrscheinlich aber, dass Dubai an der Klärung dieser heiklen Frage interessiert ist.

Würde jedoch einer der Verdächtigen in einem EU-Mitgliedsstaat festgenommen, käme die Suche nach dem weiteren Vorgehen dem Marsch durch ein Minenfeld gleich. Nur einige der ungeklärten Fragen: Deckt ein Auslieferungsabkommen, falls es denn existiert, auch eine staatlich sanktionierte Tötung im Rahmen eines laufenden Krieges ab? Ist diese Tötung überhaupt völkerrechtswidrig? Und welche Rolle könnte der Internationale Strafgerichtshof in Den Haag spielen? Besonders pikant wird die rechtliche Lage durch die jüngste Untersuchung des UN-Ermittlers Richard Goldstone zu den Ereignissen in Gaza während der letzten Eskalation zwischen Israel und radikalen Palästinensergruppen. Goldstone warf unter großem Beifall der Weltöffentlichkeit Jerusalem vor, auf die Raketenattacken aus Gaza mit unverhältnismäßiger Gewalt reagiert zu haben. Und schlug vor: Israel könne sich besser schützen, indem es "angemessene Aktionen" unternehme und etwa - mit Rücksicht auf die Zivilbevölkerung - einzelne Extremisten ins Visier nehme, die für die Angriffe verantwortlich zeichneten. Eine Analyse, perfekt zugeschnitten auf den Hamas-Waffenbeschaffer al-Mabhuh.

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