Im normalen Takt

WASHINGTON. Führungsstärke oder blinde Arroganz? George W. Bush zeigt in den Stunden der Entscheidung unerschütterliche Zuversicht, das Richtige zu tun.

Für einen Mann, der über Krieg oder Frieden und damit über Leben und Tod von Abertausenden entscheidet, strahlt George W. Bush dieser Tage eine ungewöhnliche Ruhe aus. Nur selten zeigt der Präsident, dessen politisches Überleben vom Verlauf der Irak-Krise abhängt, derzeit Emotionen wie Zorn, Freude oder Ärger. Doch was steckt hinter dieser überlegten Kühle? Ist es - wie die Befürworter Bushs sagen - die Überzeugung, in den Stunden der "Wahrheit für diese Welt" (Bush) den richtigen Pfad eingeschlagen zu haben? Oder ist es, wie seine Kritiker fürchten, eine blinde Arroganz gegenüber jenen, die mehr Zeit und mehr Gespräche forderten und stets die Hoffnung hegten, Saddam Hussein werde irgendwann sein gesamtes Waffenarsenal freiwillig offenlegen? "Es gibt eine feine Trennlinie zwischen Entschlossenheit und Rücksichtslosigkeit", sagt George C. Edwards, Präsidenten-Historiker am Institut für USA-Studien in Texas, "Präsidenten unter großem Stress finden oftmals großen Trost in der Annahme, sie würden das Richtige tun. Das simplifiziert die Fragen und reduziert ihre seelische Belastung." Schlaflose Nächte? Keine Spur

George W. Bush scheint in seinem dritten Amtsjahr mit seiner stoischen Bestimmtheit zu einem Zeitpunkt, wo jahrzehntelang bewährte Allianzen zerbrechen und Menschenmassen rund um den Globus seiner Politik widersprechen, ein Musterbeispiel für diese Definition des Historikers zu sein. Während sich andere Staatsmänner wie Tony Blair vermutlich schlaflos im Bett wälzen und über ihre politische Zukunft und die möglichen weltpolitischen Folgen des Irak-Krieges sinnieren, sagt Bush offen immer wieder: "Ich schlafe gut." Wenn er nach seiner Meinung über jene gefragt wird, die seine Irak-Strategie für verhängnisvoll halten, antwortet er ebenso einfach und unverbindlich: "Wir haben eben eine unterschiedliche Meinung." Oder er erklärt Protestler schlichtweg für irrelevant, weil sie "eine Interessengruppe darstellen". Auch jetzt, auf dem Höhepunkt der Krise, läuft für Bush das tägliche Leben im normalen Takt. Er joggt - wie sein Vorgänger Bill Clinton - täglich rund fünf Kilometer, stemmt Gewichte und geht sonntags in die Kirche. Der Glaube an Gott gebe ihm besondere Kraft, betont er immer wieder. Und: Er habe weiter guten Appetit. Auch neigt er dazu, ab und zu einen kurzen Mittagsschlaf zu halten - um dann abends gegen 22 Uhr den Tag mit einer kurzen Bibellektüre im Bett zu beenden. Es sind klare Anzeichen dafür, dass dieser Mann ganz in sich ruht - und deshalb auch nur schwer aus der Bahn geworfen werden kann. Zumal seine sicherheitspolitische Linie von einer simplen Strategie geprägt ist, die sich in drei kurzen Sätzen wiedergeben lässt und die Bush für nicht anfechtbar hält: Die Attacken des 1

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