Im Notfall zwei Minuten Zeit

Trier · Kliniken erhalten 4,74 Euro für Erstkontakt zu Patienten. Das Trierer Brüderkrankenhaus macht Druck für bessere Bezahlung.

 Notfall in der Notaufnahme: Eine Schwerverletzte wird im Trierer Brüderkrankenhaus eingeliefert. TV-Foto: Archiv/F. Vetter

Notfall in der Notaufnahme: Eine Schwerverletzte wird im Trierer Brüderkrankenhaus eingeliefert. TV-Foto: Archiv/F. Vetter

Foto: Friedemann Vetter (ClickMe)

Trier Zwei Minuten hat Eckart Wetzel, der Leiter des Notfallzentrums im Trierer Brüderkrankenhaus, Zeit, um zu erkennen, ob es sich bei den Patienten vor ihm um einen echten Notfall handelt oder nicht. Ob dieser also im Krankenhaus behandelt werden muss oder - wenn es keinen dringenden Behandlungsbedarf gibt - doch besser zu seinem Hausarzt geschickt werden kann. Mehr als diese zwei Minuten bekommt die Notfallambulanz für eine solche ärztliche Abklärung nicht bezahlt. Exakt 4,74 Euro erhalten sie dafür. "Das ist völlig unrealistisch", beschwert sich Jörg Weiskopf, kaufmännischer Direktor der Klinik, deren Notfallzentrum das größte in der Region ist. Weiskopf will Druck auf die Politik ausüben, damit sich etwas an der Vergütung ändert, damit diese an die Realitäten in den Notfallambulanzen angepasst wird. Daher hat er lokale Politiker wie den Trierer SPD-Landtagsabgeordneten Sven Teuber oder die Grünen-Bundestagsabgeordnete Corinna Rüffer zu einem "Tag des Notfalls" eingeladen. Mit ähnlichen Veranstaltungen in ganz Deutschland versucht die Deutsche Krankenhausgesellschaft vor der Bundestagswahl auf die aus ihrer Sicht Misere in den Notaufnahmen aufmerksam zu machen.
Die neue Abrechnungspauschale stelle eine wesentliche Verschlechterung zu der vorherigen Vergütung für Notfallpatienten dar, sagt Weiskopf. 13,37 Euro hat es bis zum 1. April dafür gegeben. Und diese sei bereits zu gering gewesen. Durchschnittlich 120 Euro koste ein ambulanter Notfall ein Krankenhaus. Doch im Schnitt hätten die Kliniken bislang gerade einmal 32 Euro erhalten. Dadurch fehlte den deutschen Krankenhäusern rund eine Milliarde Euro im Jahr.
Mit 34 100 Fällen seien im vergangenen Jahr erstmals im Notfallzentrum mehr Patienten ambulant behandelt worden als stationär in der Klinik, sagt Weiskopf. Nicht alle Patienten seien echte Notfälle gewesen, im Sinne, dass sie unverzüglich medizinische Hilfe gebraucht hätten, sagt Wetzel. Aber er und sein Kollege Markus Baake, Unfallchirurg am Brüderkrankenhaus, geben dafür nicht den Patienten die Schuld. Sie könnten oft gar nicht einschätzen, ob sie ernsthaft krank seien oder nicht, sagt Wetzel. So könne sich hinter Brustschmerzen eine harmlose Erkrankung oder auch ein Herzinfarkt verbergen. Auch bei Bauchschmerzen gebe es unterschiedliche Diagnosen, für deren Abklärung aber Zeit benötigt werde. Mehr jedenfalls als die bezahlten zwei Minuten.
Hinter der seit Jahren von den Kliniken geforderten besseren Honorierung für Notfälle steckt ein Streit zwischen den niedergelassenen Ärzten und den Krankenhäusern. Das Honorar für die Behandlung von Notfallpatienten, die keine echten Notfälle sind, wird nämlich aus dem Topf der Haus- und Fachärzte genommen. Sie werfen den Kliniken vor, sich auf ihrem Rücken mit Patienten, die gar nicht von den Kliniken behandelt werden dürften, zu bereichern.
Daher fordert die Landeschefin der Krankenkasse Barmer, bei der Notfallbehandlung die Trennung zwischen den niedergelassenen Ärzten und den Kliniken aufzuheben. "Die Notfallversorgung ist in Deutschland in drei Bereiche gegliedert, nämlich ärztlicher Bereitschaftsdienst, Rettungsdienst und Notaufnahmen der Krankenhäuser. Die fehlende Abstimmung der drei Bereiche untereinander trägt dazu bei, dass Patienten nicht immer in der angemessenen Versorgungsebene behandelt werden", sagt Kleis. Patienten, die auch ambulant von niedergelassenen Ärzten behandelt werden könnten, würden derzeit oft in den Notaufnahmen der Krankenhäuser oder sogar stationär versorgt. Kleis: "Es sollte jeweils diejenige Versorgungsebene vom Patienten in Anspruch genommen werden können, die für ihn am besten geeignet ist." Um dies zu erreichen, müssten Patienten eine zentrale Anlaufstelle haben, von der aus sie weitergelenkt würden. Diese Anlaufstelle sollte gemeinsam durch die Kassenärztliche Vereinigung, also der Vertretung der niedergelassenen Ärzte, und das Krankenhaus organisiert werden, fordert die Barmer-Landesgeschäftsführerin. Davon halten die Verantwortlichen des Brüderkrankenhauses jedoch wenig. Das Notfallzentrum solle weiterhin niedrigschwellig erreichbar bleiben, kein Patient, ob echter Notfall oder nicht, werde abgewiesen, heißt es.Extra: WAS IST EIN NOTFALL?


Hauptaufgaben der Notfallmedizin in den Kliniken sind das Erkennen und Behandeln lebensbedrohlicher Zustände, zum Beispiel Herzinfarkt, Lungenembolie, Schlaganfall, akute Bewusstseinsstörungen oder schwere Verletzungen. Zentrale Aufgabe ist es, einzuschätzen, wie schwer der Patient erkrankt ist, um zu entscheiden, ob er ambulant behandelt werden kann oder nicht.

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