Im Überflug

Die Anschläge vom 11. September 2001 haben auch die Welt der Bundeswehr gründlich verändert. Mittlerweile sind fast 8000 deutsche Soldaten von Afrika bis Afghanistan im Einsatz. In der Heimat hat sich die Bevölkerung weitgehend an die schleichende Militarisierung der Außenpolitik gewöhnt.

Das mag mit den bislang relativ geringen Opferzahlen zusammen hängen, aber auch mit dem politisch gepflegten Bild vom Sozialarbeiter in Uniform. Nun hat das Bundeskabinett eine weitere Mission auf den Weg gebracht: Deutsche Aufklärungs-Tornados sollen Bilder von Taliban-Stellungen in ganz Afghanistan liefern, welche dann von Nato-Verbündeten bekämpft werden. Mit reichlich Wortakrobatik versucht die Regierung Glauben zu machen, dass es sich bei dem Engagement aus der Luft nicht um Kampfeinsätze handelt. Doch das ist blauäugig. Soll die Bordkanone schweigen, wenn Terroristen mit Raketen auf die Maschinen zielen oder Verbündete am Boden in Gefahr sind? Nein, die seit fünf Jahren von der Nato geführte Isaf-Mission ist längst zu einem Kampfeinsatz geworden. Mehr als ein Drittel aller deutschen Auslandsstreitkräfte sind darin eingebunden. Wegen der immer brüchiger werdenden Sicherheitslage kann die Bundeswehr inzwischen nicht mehr nur im vergleichsweise sicheren Norden Afghanistans zum Einsatz kommen, sondern auch im gefährlicheren Süden. Eine entsprechende Erweiterung des Mandats hatte der Bundestag bereits 2005 erteilt. Es beinhaltet die Unterstützung des internationalen Zivilpersonals, aber auch die Entwaffnung der Taliban. Vor diesem Hintergrund wirkt der Einsatz deutscher Aufklärungs-Tornados unspektakulär. Es ist auch wenig fruchtbar, darüber zu streiten, ob sich Deutschland damit noch weiter in Kriegshandlungen verstrickt. Die Bundeswehr ist darin längst verwickelt. Zu fragen wäre allerdings, ob die Spezialflugzeuge geeignet sind, Stabilität und Sicherheit in Afghanistan voranzubringen. Immerhin bietet sich der Bundesregierung damit die Chance, auf die Kampfführung Einfluss zu nehmen. Den Operationen der Isaf-Truppen fallen auch immer wieder versehentlich Zivilpersonen zum Opfer. Wenn sich daran nichts ändert, wird die Akzeptanz der Mission in der afghanischen Bevölkerung weiter schwinden. Aufklärungs-Tornados sind also ein sinnvoller Ansatz. Das grundlegende Problem lässt sich freilich nicht im Überflug lösen: Der militärische Feldversuch zur Überwindung von mehr als zwei Jahrzehnten Bürgerkrieg muss endlich mit einer wirksamen Strategie für den zivilen Aufbau kombiniert werden. nachrichten.red@volksfreund.de

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